IM HEUTE FÜR MORGEN

IW-Geschäftsbericht 2020.2021

Und los!

70 Jahre IW

Was war, was bleibt, was kommt.

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70 Jahre IW 1/2

Ein halbes Leben im IW

Hans-Peter Fröhlich ist im Ruhestand. Nach 35 Jahren IW, viele davon als stellvertretender Direktor, hat er sich Ende März 2021 verabschiedet. Ein persönlicher Rückblick auf "seine" Hälfte des Institutslebens und wie Peter Bofinger ihm den Weg nach Köln bereitete. 

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IW-Direktor Michael Hüther (r.) verabschiedet Hans-Peter Fröhlich. Foto: IW

Lieber Herr Fröhlich, wann haben Sie im IW angefangen? 
Das war der 1. Oktober 1985 – ich habe also das IW in seiner zweiten Lebenshälfte mitbegleitet. 

Und warum sind Sie ans IW gekommen? 
Weil ich zu faul zum Kochen war. (Schmunzeln bei den Interviewern) Ich hatte meine Disputation hinter mir und habe eine Woche Urlaub gemacht. Statt zu kochen, bin ich lieber an mein Institut an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken gefahren, um wie üblich mit den Lehrstuhlkollegen etwas zu essen. Leider hatten die sich aber schon kurz zuvor auf den Weg zur Mensa gemacht. Auf einem der Schreibtische sah ich dann zufällig eine Stellenanzeige – bei Peter Bofinger, dem späteren Wirtschaftsweisen. 

In der Mensa habe ich Peter dann angetroffen und nach der Stellenanzeige befragt: "Ich dachte, du hättest schon längst einen Job." Er meinte, er habe sich in seinem anderen Vorstellungsgespräch zunächst geärgert, inzwischen sei aber alles klar: "Ich brauch das nicht, mach du das doch." Eigentlich wollte ich noch ein Buch schreiben mit meinem Doktorvater, Prof. Wolfgang Stützel. Aber Peter sagte: "Ach Quatsch, sei doch nicht dumm. Du hast nichts zu verlieren, man kann durch ein Vorstellungsgespräch nur gewinnen."

Und das hat Sie überzeugt. 
Ich habe mich schließlich beworben auf die damals im IW neu geschaffene Stelle eines Referenten für Internationale Wirtschaftspolitik. Im Vorstellungsgespräch war es für mich Liebe auf den ersten Blick. Und seitdem bin ich hier. 

Im Vorstellungsgespräch war es für mich Liebe auf den ersten Blick.

Hans-Peter Fröhlich

Die eigentliche Botschaft ist also, Peter Bofinger wäre beinahe am IW gelandet. 
Wenn man so will, habe ich das IW vor Bofinger bewahrt. (allgemeine Heiterkeit) 

Haben Sie sich auf den Inhalt der Stelle beworben oder auch bewusst beim IW? Welches Standing hatte das damals in der Öffentlichkeit und unter Ökonomen? 
Ich hatte mich auf die Stelle beworben, der Zuschnitt passte wie die Faust aufs Auge zu meinem Studium. Kurz zuvor war zudem Prof. Gerhard Fels als Direktor ans IW gekommen. Er war davor einer der fünf Wirtschaftsweisen und hatte sich am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) einen Namen gemacht. Dadurch fühlte ich mich stark angesprochen. Zudem hatte er an derselben Universität wie ich studiert und promoviert. Als ich meinen Bekannten an der Uni sagte, dass ich ans IW und zu Prof. Fels gehe, war die Reaktion "Zu Fels zu gehen ist gut". Zum IW hatten die Kollegen weniger eine Meinung. 

Wie war denn Ihr erster Arbeitstag? 
Ich hatte Manschetten. Denn an der Uni hatte ich mir zwar viel Theorie angeeignet, aber ich wusste gar nicht, wie weit dieses Wissen in der Praxis trägt. Ich wollte also erstmal meinen Platz finden. Das war mir nach sechs Monaten offenbar gelungen, denn rausgeschmissen haben sie mich nach der Probezeit nicht. 

Sie haben gesagt, Ihre Stelle sei neu geschaffen worden. Wie und warum? 
Als Prof. Fels 1983 ans IW kam, war sein Eindruck, dass das Internationale bei uns etwas unterbelichtet war. Also hat er den IW-Gremien diese Stelle vorgeschlagen. 

Haben Sie das thematisch genauso erlebt? 
Ja. Es gab einen hervorragenden Referenten für Außenhandel und Auslandskonjunktur, der mit Zahlen sehr bewandert war. Aber es gab natürlich viel mehr Themen. Die europäische Integration, die Welthandelsgespräche in den damaligen GATT-Runden, internationale Politikkoordinierung auf G7-Gipfeln – das lag brach und dafür wurde ich eingestellt. 

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Fröhlich unterzeichnet den Vertrag zur Übernahme der AKTIV-informedia verlag-gmbh und ihrer Töchter (1995). Im Jahr darauf werden sie mit dem Deutschen Instituts-Verlag verschmolzen. Foto: IW

Sie konnten also mit einem unbeschriebenen Blatt anfangen. 
Das hatte zwei Implikationen: Zum einen wusste niemand so richtig, was genau ich tun sollte. Zum anderen war das ein Riesenvorteil, denn ich konnte selbst gestalten und inhaltlich prägen, wie es mir gefiel. Solange ich nicht untätig war, war mein Arbeitgeber zufrieden. Ich musste Sichtbarkeit schaffen, die Themen konnte ich mir frei aussuchen. 

Wie groß war der wissenschaftliche Apparat damals? 
Ich war in der kleineren der beiden Hauptabteilungen, der Hauptabteilung II, jener für Wirtschafts- und Sozialpolitik. Dort waren es nach meiner Erinnerung etwa 15 Referenten. Die Hauptabteilung I, Bildung und Gesellschaftswissenschaften, war etwas größer, dort liefen bereits erste Drittmittelprojekte. Aber insgesamt war alles viel kleiner als heute. 

Jeder Referent stand für ein Themengebiet. Und zwar NUR er. Keiner guckte über seinen Tellerrand. Weder brauchte er das, noch wurde es erwartet. Mit unserer heutigen team- und projektorientierten Arbeitsweise ist das nicht vergleichbar. 

Was wurde denn erwartet? 
Zunächst musste man Inhalt produzieren. Damals waren unsere Publikationsreihen noch anders aufgesetzt. Wir mussten die IW Trends füllen, die seinerzeit nur aus der Hauptabteilung II bestückt wurden. Es ging nur um harte Wirtschaftszahlen. Das Pflichtprogramm war: Jeder Referent musste einen bis zwei Trends-Aufsätze im Jahr schreiben und einen sogenannten roten Beitrag. Das, was heute die Analysen sind. Auch der iwd musste gefüttert werden, was ich sehr gerne gemacht habe. Und es gab verschiedene Broschürenreihen. Da herrschte schon einiger Produktionsdruck. 

Besonders fleißige Federn erhielten einmal jährlich die Plakette "iwd Champions" – da war ich regelmäßig dabei. Wenn Sie als Volkswirt nur ein bisschen beseelt auf die Welt gucken, fallen Ihnen täglich Themen ein. Die größte Restriktion war, dass es für jeden Text eine Grafik oder eine Tabelle brauchte. Daran sind viele Ideen gescheitert, weil ich sie nicht in Zahlen übersetzen konnte. Aber abgesehen davon habe ich mich im iwd ausgetobt. 

Wenn Sie als Volkswirt nur ein bisschen beseelt auf die Welt gucken, fallen Ihnen täglich Themen ein.

Hans-Peter Fröhlich

Können Sie sich noch an Ihren ersten Beitrag erinnern? 
Meinen ersten "roten Beitrag" habe ich zu "Mehr Marktwirtschaft – auch in Entwicklungsländern" geschrieben. Und zwei sehr frühe iwd-Artikel machten mich im Haus bekannt: einer über Müsli, in dem ich mich mit Bio-Qualitätssiegeln auseinandergesetzt habe, die erstmals auf den Markt kamen. Prompt galt ich als der "Müsli-Fröhlich". Das zweite Thema waren Hamburger. Der "Economist" hat schon damals seinen "Big Mac Index" erstellt. Den habe ich für uns adaptiert und ins Deutsche übertragen. Auch damit wurde ich assoziiert. Noch stärker ist allerdings der "1:1-Fröhlich" hängengeblieben. 

Das müssen Sie erläutern. 
Das hing mit der Deutschen Einheit zusammen. Die niedersächsische Landesregierung hatte sich im Frühsommer 1990 ans IW gewandt. Ministerpräsident Ernst Albrecht – der Vater von Ursula von der Leyen – stand vor einer Landtagswahl. Und da Niedersachsen eine sehr lange Grenze mit Sachsen-Anhalt hat, war die Wirtschafts- und Sozialunion ein brennendes Thema. Beim IW hatte Albrecht das Gutachten "Sozialverträgliche Ausgestaltung der deutsch-deutschen Währungsunion" beauftragt. Das landete bei mir, weil ich der Währungsexperte des IW war. Im Gutachten haben wir uns dann für einen Wechselkurs von 1:1 ausgesprochen – völlig unerhört unter den Ökonomen. Gehandelt wurden Werte zwischen 2:1 und 5:1. Wir waren links außen im Spektrum. 

Für mich war es aber die ökonomisch richtige Entscheidung. Viele Kollegen im Haus gingen damit nicht konform und haben gefrotzelt. Ein Pensionär sagt mir heute noch bei jeder Begegnung "Hier kommt der 1:1-Fröhlich". 

Wie lange sind Sie auf dieser Referentenstelle geblieben? 
Bis ich an meinen heutigen Schreibtisch kam. Ich hatte die internationale Wirtschaftspolitik wirklich sehr gerne gemacht. Ich hatte mich profiliert und fühlte mich wohl. Zwei-, dreimal hatte ich Angebote, wegzugehen. Die habe ich ernsthaft geprüft, mich dann aber immer zum Bleiben entschieden. Erstens wegen meines Themas, zweitens wegen des Direktors Gerhard Fels. 

Zum Juli 1992 war ich Stellvertreter des zum selben Zeitpunkt neu installierten Leiters der Hauptabteilung II, Rolf Kroker, geworden. Damit war ich Mitglied der erweiterten Geschäftsführung. Und eines Tages, im Juni 1994 war das, rief Herr Fels mich dann hinauf in sein Büro und fragte, wie lange ich schon da sei. "1985", war meine Antwort. "Das können Sie ja wohl nicht ewig machen." Mein Gedanke war "Ach du Schande, der schmeißt mich jetzt raus. Was habe ich denn falsch gemacht?!". Dann hat er mir stattdessen den Posten als Leiter des Zentralbereichs angeboten. 

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Fröhlich und Hüther bei der Unterzeichnung des Mietvertrags für das Konrad-Adenauer-Ufer 21. Foto: IW

Haben Sie sofort zugeschlagen? 
Ich musste erstmal darüber nachdenken. Mir war klar, dass ich nicht nur nichts mehr mit internationaler Wirtschaftspolitik zu tun haben, sondern gar nicht mehr als Volkswirt arbeiten würde. Ich habe mich dann aber doch schnell entschlossen. Ich war 39 – ein guter Zeitpunkt, um mich neu auszuprobieren. 

Was war ausschlaggebend, dass Sie sich so schnell entschieden haben? 
Letztlich meine Frau. Wir hatten noch sehr kleine Kinder, und sie musste die absehbare Mehrarbeit bei meinen vielen abendlichen Abwesenheiten tragen. Sie hat keine Sekunde gezögert. "Wenn Herr Fels dir so eine Position anbietet, wird das schon passen." 

Wessen Fußstapfen mussten Sie füllen? 
Mein Vorgänger war ein Grandseigneur, Hans-Josef Breidbach. Eine stattliche Persönlichkeit, die viele für den eigentlichen Direktor hielten. Jedenfalls trat er mit so einem Habitus und einer Aura bei den Verbänden auf. Der Direktor war für die Wissenschaft zuständig, verkörpert aber wurde das IW für viele von Herrn Breidbach. 

War der Zuschnitt der Stelle von Anfang an ähnlich? Oder wie hat sich das für Sie gewandelt über die Jahre? 
Im Wesentlichen ja. Anfangs zählte die Personalabteilung noch zu meinen Zuständigkeiten. Die habe ich 2007 an Herrn Hüther abgegeben. Das war die Phase des Umzugs vom alten Standort am Gustav-Heinemann-Ufer in das heutige Institutsgebäude. Den habe ich von der Objektfindung bis zum Möbelwagen als Leiter unseres Immobilienteams maßgeblich mitorganisiert. Das war viel Arbeit über Jahre hinweg, und ich war Herrn Hüther dankbar, dass er mir eine Zuständigkeit abnahm. Tatsächlich sollte HR, wie man heute sagt, meiner Meinung nach auch grundsätzlich der obersten Führungskraft zugeordnet sein. 

Was es damals noch nicht in dieser Form gab: die Tochtergesellschaften. Es gab zwar den Deutschen Instituts-Verlag, aber der lief seinerzeit mehr oder minder von selbst. Heute sehen wir das IW und alle Tochtergesellschaften als Verbund, den wir gemeinsam steuern. Das ist an meinem Schreibtisch viel stärker in den Vordergrund gerückt. Und was auch wichtiger wurde: die Drittmittelprojekte. 

Können Sie den Wechsel von Prof. Fels auf Prof. Hüther etwas beschreiben? 
Prof. Fels war Anfang Januar 2003 aus den Winterferien zurückgekommen und hatte verkündet, dass er mit 65 – also eineinhalb Jahre später – definitiv aufhören würde. Also begannen wir in der Geschäftsführung, über einen möglichen Nachfolger nachzudenken. Oberste Priorität für uns war, dass es wieder ein Ökonom werden sollte, was nicht selbstverständlich war. 

... kaum mehr vorstellbar …  
Doch, damals war das eine regelrechte Grundsatzentscheidung. Wir hatten schließlich auch eine starke Hauptabteilung I, die gesellschaftswissenschaftlich ausgerichtet war. 

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Fröhlich mit Jochen F. Kirchhoff, dem langjährigen IW-Vizepräsidenten und Vorsitzenden der nordrhein-westfälischen Arbeitgeberverbände. Arndt G. Kirchhoff, einer der Söhne des 2019 Verstorbenen, ist amtierender IW-Präsident. Foto: IW

Stand denn nie zur Debatte, so eine Stelle intern zu besetzen? 
Nein. Es war klar, dass der Direktor von außen kommen muss. Völlig unbelastet von internen Vorgeschichten. Mit einer anderen Perspektive auf das Institut. Nur so können Sie die Zukunft gestalten. 

Sie haben den IW-Umzug als eines Ihrer großen Projekte erwähnt. Welche anderen Wegmarken gab es für Sie, seitdem Sie eine Führungsfunktion übernommen hatten? Gibt es Ereignisse oder Entwicklungen, die Sie stolz machen? 
Wir sind größer geworden. In jeder Hinsicht: Wir haben mehr Mitarbeiter, mehr Einzelgesellschaften, mehr Projekte. Sie alle zahlen auf die Marke IW ein. Es ist schön, Teil dieser Wachstumsstory gewesen zu sein. 

Heute stehen wir auch finanziell auf stabileren Beinen. Wir haben es geschafft, Rücklagen aufzubauen, mit denen wir schwierige Phasen wie die Finanzkrise 2009 oder auch jetzt Corona überstehen können. 

Ein weiteres Thema, das mir sehr wichtig ist: Wir haben mehr Frauen im IW! Als ich in der Hauptabteilung II anfing, gab es dort allen Ernstes keine einzige Referentin. Es gab zwei Frauen, die das Statistikarchiv innerhalb der HA II betreut haben. Die Referenten mit Sichtbarkeit nach außen waren ausnahmslos Männer. In der Hauptabteilung I, wo nicht die Ökonomen dominierten, war das damals schon anders. Aber auch bei den Volkswirten hat sich das mittlerweile natürlich nachhaltig geändert. In den vergangenen Jahren haben wir stets mehr Frauen als Männer eingestellt, über den gesamten IW-Verbund sind inzwischen 51 Prozent der Beschäftigten weiblich. 

Wir sind größer geworden. In jeder Hinsicht: Wir haben mehr Mitarbeiter, mehr Einzelgesellschaften, mehr Projekte. Sie alle zahlen auf die Marke IW ein. Es ist schön, Teil dieser Wachstumsstory gewesen zu sein. 

Hans-Peter Fröhlich
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Fröhlich und sein Nachfolger als kaufmännischer Geschäftsführer, Klaus Hafemann (r.). Im Hintergrund: IW-Verteilungsforscher Maximilian Stockhausen. Das Bild entstand auf einer IW-Weihnachtsfeier mit dem Motto "80er". Foto: IW

Eine besondere Wegmarke war sicherlich auch die Pandemie, die Ihr letztes Jahr im Amt dominiert hat. 
Das war nochmal eine Herausforderung auf der Schlussgeraden. Meine Erwartung war, du hast jetzt noch ein Jahr, in dem du langsam austrudelst. Pustekuchen. Ich werde Freitag, den 13. März 2020, nicht vergessen. Irgendwann rief Herr Bergmann an und sagte, NRW schließt kommende Woche die Schulen. Übers Wochenende habe ich dann sehr viel mit Herrn Hüther kommuniziert, weil schnell klar war, dass bald die Wirtschaft stillgelegt würde. 

Wir haben dann schrittweise das technisch Notwendige getan, um die Mitarbeiter zu unterstützen und das Institut als Arbeitsort sicher zu machen. Auch später ging es stets darum, sich schrittweise an veränderte Situationen anzupassen, aber auch Optionen vorauszudenken für die nächste Stufe. Ein Stück weit hat das auch Spaß gemacht: mit den Kollegen an einem Strang zu ziehen, zu merken, dass jeder mit anpackt. Ein schöner Teamerfolg. 

Corona hat ja auch in puncto Digitalisierung einiges bewegt. 
Das ist wirklich spektakulär. Und ich bin heute froh und dankbar, das noch miterlebt zu haben. Allein wie sich der Arbeitsalltag durch Videokonferenzen gewandelt hat … 

Als ich im IW anfing, war das Fax ein Hightech-Gerät. In der gemeinsamen Telefonzentrale von BDI und IW stand außerdem ein Fernschreiber. Das war State of the Art. Texte haben wir per Hand geschrieben, für den iwd sogar auf eigens vorgedrucktem Papier in einer Breite für 35 Anschläge. Noch spannender waren die Grafiken: Die hat eine Layouterin gebastelt. Sie hatte vorgefertigte Linien, dicke, dünne, gepunktete, durchgezogene, gestrichelte. Die hat sie ausgeschnitten und geklebt, um Zeitreihen zu erstellen. Das sah am Ende professionell aus – aber wehe, jemand musste kurz vor Drucklegung noch etwas ändern. 

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Fröhlich in der "Arena", einem im Zuge des jüngsten IW-Umbaus entstandenen Raum für Vorträge und Veranstaltungen. Foto: IW

Welche Botschaft geben Sie weiter? 
Wir legen heute einen stärkeren Fokus auf das wissenschaftliche Renommee. Nur über das Standing auf Augenhöhe mit den anderen Instituten haben wir die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Dazu trägt auch das Projektgeschäft bei. Es ist wichtig für unsere Finanzierung, das Institut wäre ohne seine Drittmittel erheblich kleiner. Und von den Projekten profitieren auch unsere Mitglieder, weil das IW nur solche durchführt, die dem Satzungszweck entsprechen. Eine Win-win-Situation. 

Und was geben Sie Ihrem Nachfolger Klaus Hafemann als kaufmännischem Geschäftsführer mit? 
Dem habe ich gesagt: "Ich hoffe, Sie machen möglichst schnell möglichst viel anders als der olle Fröhlich." (Heiterkeit bei den Interviewern) Das meine ich ernst. Erstens habe ich es damals selbst so gemacht. Zweitens ist das ein Zeichen von Gestaltungswillen: gar nicht erst zu versuchen, im Fahrwasser des Vorgängers weiterzumachen. Sondern die Dinge so aufzustellen, wie es die Zukunft erfordert. 

Was werden Sie am ersten Tag im Ruhestand machen? 
Ich habe einen Friseurtermin für den 1. April. Alles andere ergibt sich. 

Eine Frage hätte ich noch: Haben Sie eigentlich mal im Hotel Schwan in Oestrich übernachtet (Anm. d. Red.: 1951 Gründungsort des Deutschen Industrie-Instituts)? 
Ja. Ich war damals von einem ehemaligen IW-Mitgliedsunternehmen auf eine Gala im Schloss Reinhartshausen (Anm. d. Red.: inzwischen geschlossenes Fünf-Sterne-Haus im Rheingau-Ort Erbach) eingeladen. Es war mir aber zu teuer, dort zu übernachten. Also bin ich in den Schwan gegangen. Der hatte Atmosphäre, wenn auch reichlich verstaubt – im doppelten Sinne des Wortes.

Mehr Eindrücke aus 70 Jahren IW gibt es in der Broschüre "Seit gestern. Für heute." (PDF)

70 Jahre IW 2/2

"Anders als der olle Fröhlich?"

Natürlich haben wir auch den neuen kaufmännischen Geschäftsführer Klaus Hafemann nach seinen Plänen befragt. 

Herr Hafemann, Ihr Vorgänger hat Ihnen mitgegeben, Sie sollten möglichst schnell möglichst viel anders machen. Was haben Sie vorgefunden? Und welchen Veränderungsbedarf sehen Sie? 
Am leichtesten wäre es, wenn ich mich wie ein Handwerker hinstellen könnte, kopfschüttelnd die Arbeit meines Vorgängers begutachte und sage "Das wird teuer ...". Aber das kann ich nicht. Herr Fröhlich war zuständig für das Verhältnis zu den Mitgliedern – das ist gut. Er war verantwortlich für die Finanzen – die Zahlen stimmen. 

Chancen sehe ich bei der internen Vernetzung. Ich habe zum Beispiel den Anspruch, auch in kleinere Runden mit den IW-Töchtern zu gehen, darüber zu reden, wie ich deren wirtschaftliche Entwicklung sehe, und mir Feedback zu holen, welche Leistungen aus unserem Corporate Center, also dem Zentralbereich, für sie hilfreich sind. Je kleiner die Runde ist, desto zielgerichteter die Diskussionen und desto offener das Wort. Das hat sicher auch mit meiner anderen Herkunft zu tun. 

Wie meinen Sie das? 
Vor allem mit Blick auf meine Sozialisation im IW. Herr Fröhlich war, als er Geschäftsführer wurde, stark von der Wissenschaft geprägt. Das ist bei mir weniger so, gerade durch meine vorherige Rolle in der Verbundsteuerung. Da hatte ich viel zu tun mit Wissenschaftlern, aber auch mit der IW Consult, der IW Medien und den anderen Tochtergesellschaften. 

Was heißt das mit Blick auf die Stakeholder? 
Ich kann jetzt noch nicht sagen, welche Ansatzpunkte es gibt. Dazu muss ich sie erstmal kennenlernen, Wissen und Vertrauen aufbauen. Eigentlich wollten Herr Fröhlich und ich 2020 als Duo durch die Republik tingeln, damit er mich bei den Stakeholdern einführt. Aber das war aus bekannten Gründen nicht möglich. Insofern werde ich das Verhältnis nun erst aufbauen, bevor ich mit Vorschlägen komme.

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Klaus Hafemann. Foto: IW Medien

Welche Themen werden Sie in den kommenden Jahren am stärksten beschäftigen? 
Wir müssen gemeinsam mit unseren Tochtergesellschaften den Strukturwandel hin zu digitalen Angeboten bewältigen. Das werde ich begleiten als Sparringspartner, etwa für die Geschäftsführung der IW Medien. 

Was die Mitglieder angeht, wollen wir die Kontinuität der vergangenen Jahrzehnte wahren. Da gibt es keine Baustellen. Außer meiner persönlichen, das Vertrauen dort erst erwerben zu müssen, das Herr Fröhlich genossen hat. 

Methodisch halte ich es für zukunftsweisend, wenn sich das IW noch mehr mit Datengewinnung wie Big Data beschäftigt. Das könnte auch ein Schnittpunkt zur IW Consult und der IW Medien sein und am Markt ein Alleinstellungsmerkmal für beide werden. In diese Richtung müssen wir mehr investieren: weniger Daten von Dritten verwenden, sondern mehr selbst erheben. Das ist auch wichtig im Wettbewerb des Wissenschaftsbereiches mit den anderen Wirtschaftsforschungsinstituten, die ja teilweise deutlich größer sind als wir. 

Zum Abschluss haben Sie noch die Gelegenheit, direkte Botschaften loszuwerden. Vielleicht fangen wir mit einer an die Adresse der Stakeholder an. 
Unseren Mitgliedern kommt es darauf an, dass der IW-Verbund gut funktioniert. Bei Zahlen, Menschen, Inhalten. Dafür stehe ich – wie alle Kollegen im Verbund. Und dafür werde ich natürlich an die erfolgreiche Vorarbeit von Herrn Fröhlich anknüpfen. 

Und an die Mitarbeiter? 
Ich freue mich darauf, wieder mit allen feiern zu können, wenn die verdammte Pandemie endlich vorbei ist. (Anm. d. Red.: Siehe dazu auch das Foto weiter oben.)

Corona

Das Virus im IW-Alltag.

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Corona 1/5

So wurde das IW fit für die Pandemie

Michael Krögel leitet Einkauf & Logistik für den IW-Verbund, Willi Reimann ist Chef der IT-Abteilung. Gemeinsam berichten sie über die Corona-Organisation im Institut. 

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Michael Krögel. Foto: IW Medien

Herr Krögel, Herr Reimann, für viele kam der erste Lockdown im März 2020 überraschend. Wie war das für Sie? 
Michael Krögel: Wir waren zum Glück vorbereitet. Das IW verfügt über einen Krisenstab Risk Management, der sich in regelmäßigen Abständen trifft und sich zum Beispiel über Arbeitssicherheit und Brandschutz austauscht. Im Januar 2020 haben wir dort auch erstmals über Corona gesprochen: Bei dem Automobilzulieferer Webasto waren gerade die ersten Corona-Fälle in Deutschland aufgetreten. Schon da haben wir überlegt: Was würde ein Corona-Ausbruch bei uns bedeuten? An eine Pandemie mit monatelangem Lockdown hat zu diesem Zeitpunkt aber noch keiner gedacht. 

Welche konkreten Folgen hatten diese Gespräche? 
Krögel: Wir haben im Februar erneut zusammengesessen und dann Beschlüsse gefasst. Zunächst haben wir den Koordinationskreis Corona mit uns beiden sowie weiteren Mitarbeitern in Schlüsselpositionen ins Leben gerufen. 

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Willi Reimann. Foto: IW Medien

Willi Reimann: Uns war klar, dass im Falle einer Pandemie mehr Menschen im Homeoffice arbeiten müssen. Wir haben deshalb bereits Anfang März – nachdem wir in der Sitzung der Geschäftsleitung eine Präsentation mit dem Titel "Corona-Virus: Für den Fall der Fälle ..." gehalten hatten – die Internetbandbreite verdoppelt und die Serverumgebung für RDS (die Remote Desktop Services, also den Fernzugriff auf unsere Arbeitsrechner) so weit vorbereitet, dass alle unsere Mitarbeiter am Tag X gleichzeitig darauf zugreifen können. RDS war für so einen Notfall eigentlich nicht ausgelegt. 

Und als der Lockdown Mitte März kam, hat alles ohne Probleme funktioniert? 
Reimann: Ganz so entspannt war es nicht. Der damalige kaufmännische Geschäftsführer, Hans-Peter Fröhlich, kam am ersten Tag des Lockdowns, dem 16. März, früh morgens auf mich zu und rief: "Das Worst-Case-Szenario ist eingetreten, es funktionieren weder das Telefon noch RDS!" Fast alle Mitarbeiter hatten an diesem Tag bereits im Homeoffice gearbeitet. Das Institut war also auf die Telefonumleitung und die Remote-Funktion angewiesen. 

Ich habe das dann überprüft: Die Telefone waren tot – weil die Telekom ausgerechnet an diesem Tag die Umstellung auf IP-Telefonie durchgeführt hatte, die eigentlich für April geplant war. Bis mittags war das Problem gelöst. RDS funktionierte hingegen von Anfang an.

Was hat der Lockdown für Einkauf & Logistik bedeutet? 
Krögel: Für uns war wichtig, dass das Institut arbeitsfähig bleibt und auch alle infrastrukturellen Dienste weiterlaufen. Dafür musste eine Handvoll Menschen weiterhin ins Haus kommen: etwa Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Corporate Centers, der Empfang, die Poststelle sowie die Haustechnik. Der Gesundheitsschutz für diese Kollegen stand für uns immer an erster Stelle. 

Wie haben Sie den im Gebäude umgesetzt? 
Krögel: Wir haben uns zunächst die Schreibtischsituation vorgenommen. Wir haben also Abstände zwischen Arbeitsplätzen und die Fläche von Büros vermessen, um neue Raumbelegungspläne zu erstellen. In vielen Büros, die eigentlich für drei Personen vorgesehen sind, darf derzeit nur ein Schreibtisch genutzt werden, um Ansteckungen zu verhindern. 

Außerdem haben wir Laufwege auf den Böden markiert sowie Abstände, zum Beispiel an den Coffee-Points. Wir haben Einbahnwege in Treppenhäusern ausgewiesen, Stühle aus Besprechungsräumen entfernt und die Räume mit neuen Videokonferenzsystemen ausgestattet, um auch hybride Meetings zu ermöglichen. 

Wie brisant hat das IW die Lage eingeschätzt? 
Krögel: Die Geschäftsführung hat sehr deutlich gemacht, dass das IW seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern mit allen Konsequenzen nachkommen wird. Natürlich bedeutet das dann auch Sonderausgaben. Wir haben zum Beispiel kontaktlose Seifenspender montiert, Desinfektionssäulen auf den Etagen und Fiebermessgeräte an den Eingängen des IW aufgestellt sowie Spuckschutzwände und Luftgütesensoren in den Konferenzräumen installiert. Für Kollegen, die vor Ort arbeiten müssen, haben wir Masken und Selbsttests angeschafft. Seit Mitte März 2021 erhalten diese Kollegen bis zu zwei Selbsttests pro Woche. Für Mitarbeiter, die freiwillig ins Haus kommen, gilt eine ähnliche Regelung. 

Reimann: Im IT-Bereich haben wir einen Zahn zugelegt. Wir mussten sowieso investieren. Geplant war, dass alle Mitarbeiter ein Notebook bekommen sollten – was sich dann beschleunigt hat: Seit März 2020 haben wir an unsere Mitarbeiter 140 Notebooks und fast an die 200 Headsets ausgegeben. Nicht alles mussten wir neu kaufen: Wir hatten zum Beispiel noch eine Reihe ausgedienter Bildschirme und Docking Stations auf Lager. Mitarbeiter konnten sich diese für ihre Arbeit im Homeoffice abholen. Insgesamt haben wir versucht, möglichst unbürokratisch und schnell zu helfen. 

Nehmen Sie aus der Pandemie auch Erfahrungen für die Zeit danach mit? 
Krögel: Man muss in solchen Phasen flexibel bleiben und sich immer wieder auf Neues einstellen. Am Anfang der Pandemie hat unser Krisenstab jeden zweiten Tag zusammengesessen und über neue Erkenntnisse gesprochen. Im Sommer 2020 haben wir uns zum Beispiel damit beschäftigt, wie die Lüftung in unserem Bürogebäude funktioniert. Dabei haben wir dankbar festgestellt, dass Frischluft automatisch an- und wieder abgesaugt wird – was mit Blick auf das Aerosol-Problem in Innenräumen schon mal grundsätzlich sehr gut ist. Informationen wie diese, über die wir zuvor selten nachgedacht hatten, sind für die Pandemiebekämpfung plötzlich essenziell geworden. Inzwischen tritt der Krisenstab immer dann zusammen, wenn es neue Vorgaben vonseiten der Politik gibt. Ändern wir dann etwas an den Regeln und Abläufen im Haus, kommunizieren wir das stets im Mitarbeiterportal und per Teams-Chat. Die Gesundheit der Mitarbeiter bleibt dabei oberste Priorität. 

Reimann: Die strategische Entscheidung vom Sommer 2019, unsere IT-Dienste sukzessive in die Microsoft-Cloud zu verlagern, hat uns in dieser Krise sehr geholfen. Die Corona-Pandemie ist ein Turbo in Sachen Digitalisierung. Bei der Einführung vor eineinhalb Jahren haben sich manche Mitarbeiter mit der Nutzung von Microsoft Teams noch schwergetan. Heute nutzen sie die Software selbstverständlich. Früher haben wir von ortsunabhängiger Arbeit eher theoretisch gesprochen. Heute organisieren wir uns ganz praktisch so im Homeoffice. Das IW war ja schon immer ein innovatives und offenes Haus. Von daher bin ich mir sicher, dass wir auch aus der Pandemie Positives ableiten und für die Zeit danach bewahren werden. 

Corona 2/5

Das Virus und die Wissenschaft

Output

"Das Wissenschaftsjahr ist sehr gut gelaufen", bringt es Hubertus Bardt, Geschäftsführer Wissenschaft, auf den Punkt. "Es gab einerseits große Projekterfolge, wie zum Beispiel das Netzwerk Q 4.0. Aber durch Corona gab es auch viel mehr Bedarf an Kommunikation, an Orientierung, an kurzfristiger Einschätzung der Lage." In normalen Zeiten beschäftigen strukturelle Fragen und längerfristige Projekte die IW-Wissenschaft. "In der Pandemie wechselt aber fast jede Woche die Lage." Wer verlautbart was, wer entscheidet etwas, welche wirtschaftlichen Folgen könnte das haben? Ein Indikator für den Beratungsbedarf ist der Rekordwert von 172 Gremien und Ausschüssen, in denen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Expertise einbringen. Die schnelle Taktung wiederum hat sich in den IW-Publikationen niedergeschlagen. Auch die Anzahl der Wissenschaftler war mit 134 noch nie höher. 

In der Medienresonanz allerdings ist der Rückstand des zweitplatzierten IW auf den Ersten, das ifo, gewachsen, vor allem wegen dessen monatlicher Großbefragungen von Unternehmen. "Der Hunger nach frischen Daten ist in der Corona-Zeit enorm", sagt Hans-Peter Klös, Geschäftsführer Wissenschaft. "Deshalb wollen wir da gerne auch immer wieder nachlegen."

Themen

"Natürlich war Corona ein starker Treiber", sagt Klös, "aber wir haben nicht das komplette Programm über den Haufen geworfen." Einerseits hat das IW Rundumbetrachtungen der Krise und ihrer Konsequenzen geliefert, von den Auswirkungen auf den Standort insgesamt über Folgenabschätzungen für einzelne Industriebranchen bis zur Verteilungswirkung der Krise.  

Andererseits blieben Megatrends wie Nachhaltigkeit ebenfalls im Blick, zum Beispiel mit einer Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums zur Bedeutung der Digitalisierung für die Ressourceneffizienz und Arbeiten zu Klimazöllen. Den "Systemrivalen China" hat das Institut genauso in den Blick genommen wie die Reform des internationalen Handelssystems. 

Für das laufende Jahr hat sich die Wissenschaft drei Schwerpunktthemen gesetzt: 

  • Disruption und Wettbewerbsfähigkeit, 
  • den handlungsfähigen Staat und 
  • den gesellschaftlichen Zusammenhalt. 

"Im Kern haben diese Stränge sich gegenüber dem Vorjahr nicht verändert", sagt Klös. Im "Handlungsfähigen Staat" stecken unter anderem Grundsatzfragen der anhaltenden Corona-Krise: Welche Rolle kommt dem Staat durch die Krise zu? "Corona ist eine Disruption, auch was das Erkenntnisinteresse unserer Stakeholder und Auftraggeber angeht." Risikovorausschau und Prognose künftiger Trends seien wichtiger denn je. Wie lässt sich die Absorptionsfähigkeit eines komplexen Systems aus Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft erhöhen? "Das läuft auf zwei zentrale Fragen zu", sagt Klös: "Was macht der Staat? Und was macht der Markt? Diese Debatte wird uns noch stärker als bisher beschäftigen." 

Netzwerken

Corona hat manches Netzwerken vereinfacht und digitale Formate entstehen lassen. Mit der britischen Botschaft etwa hat das IW eine Veranstaltung zur Klimapolitik etabliert. "Das wäre sonst mit langer Vorbereitung und Referentensuche verbunden gewesen", sagt Bardt. Auch das Wirtschaftspolitische Treffen wanderte 2020 ins Internet. 

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IW-Direktor Michael Hüther (2. v. r.) und Wissenschafts-Geschäftsführer Hubertus Bardt beim virtuellen Wirtschaftspolitischen Treffen am 27. November 2020. Foto: IW

Zugleich ist der Austausch mit den Stakeholdern noch intensiver geworden. Zu Beginn der Pandemie gab es einen wöchentlichen Video-Call mit Verbandsvolkswirten, inzwischen erfolgt dieses wirtschaftspolitische Update zu den Krisenfolgen monatlich – vor Corona sprach man zweimal jährlich auf den Wirtschaftspolitischen Treffen. "Unsere Position wurde dadurch gestärkt, wie wir auf Corona reagiert haben", sagt Bardt. "Wir haben nicht akademisch nachgedacht, sondern konkrete Vorschläge zu praktischen Problemen erarbeitet." Dauerhaft genüge der Online-Austausch allein aber nicht. "Die Bindungen, die wir aufgebaut haben, funktionieren rein digital nicht. Events wie das Wirtschaftspolitische Treffen leben auch vom Sozialkapital, davon, dass die Teilnehmer einander im Institut begegnen." Eine Lösung könnten künftig hybride Veranstaltungsreihen mit virtuellen und realen Terminen sein. 

Tonalität

Neben der  Form des Austauschs haben sich auch dessen Inhalte (weiter) verändert. "Wir sind nicht immer im Konsens mit all unseren Mitgliedern. Und auch nicht mit der Ökonomenzunft." Bardts Beschreibung gilt schon für die Zeit vor Corona, als IW-Direktor Hüther sich zur Flexibilisierung der Schuldenbremse und in einem Gutachten zum Investitionsbedarf in Deutschland durchaus kontrovers positioniert hat. 

2020 dann hat das Institut in der Industriepolitik Stellung bezogen. Eigentlich seien die Anhänger des staatlichen Interventionismus in Deutschland rar – zu Recht, sagt Bardt – diejenigen, die schon beim Wort Industriepolitik erschreckten, hingegen zahlreich. Gemeinsam mit IW Consult-Geschäftsführer Karl Lichtblau hat Bardt die Analyse "Industriepolitische Herausforderungen: Horizontale Ansätze und neue Aufgaben für den Staat" verfasst. Bardts Diagnose: "Durch die digitale und ökologische Transformation hat der Staat neben der klassischen horizontalen Standortpolitik auch noch andere Rollen. Beim Klimaschutz ist das offenkundig. Die klassische Ökonomenantwort dazu lautet: Wir setzen einen einheitlichen CO2-Preis fest und mehr soll der Staat nicht regeln. Aber damit schaffen wir 100.000 zusätzliche Probleme." Ein einheitlicher Preis helfe etwa nicht dabei, dass ein Stahlwerk auf wasserstoffbasierte Produktion umstellt. "Er führt eher dazu, dass das Stahlwerk geschlossen wird." Der hohe Anspruch an den Klimaschutz muss also einhergehen mit der Sicherung der industriellen Wertschöpfungsbasis. Und dafür braucht es: Industriepolitik, etwa in Form von Förderprogrammen. 

Rollenverständnis

"Wir sind strukturell anschlussfähiger geworden", beschreibt Klös die Arbeiten der Wissenschaft. "Es gibt mehr Überraschungseffekte bei unseren Positionierungen. Und wir wollen ja auch mutiger Schrittmacher und Vordenker sein für unsere Mitglieder." Wissen, was hinter der nächsten Wegbiegung liegt, Verschiebungen im öffentlichen Diskurs erkennen und darauf thematisch vorbereitet sein – und auch noch etwas stärker auf gesellschaftswissenschaftliche Fragestellungen blicken. 

Gerade zu Beginn der Pandemie standen in der öffentlichen Wahrnehmung mitunter Virologen gegen Volkswirte: Eine Seite wollte das Gesundheitssystem nicht überlasten, die andere wollte die Volkswirtschaft möglichst intakt durch die Krise bringen. Aus Sicht der IW-Wissenschaft kann die Antwort auf solche Gegensätze nur Gemeinsamkeit sein. "Der interdisziplinäre Ansatz ist aber der richtige, um ein Gesamtbild zu zeichnen", sagt Klös. "Die Volkswirte können darauf hinweisen, wo und was miteinander abgewogen werden muss", beschreibt Bardt den IW-Beitrag. "Obwohl natürlich weiterhin die Gefahr besteht, dass wir abgestempelt werden als die Bösen, Kalten, die, die über Geld reden, wenn es doch um Menschenleben geht. In einer Wohlfühlnische sind wir da nicht." 

Krisenverständnis

Wie gut haben die Volkswirte Corona und seine Folgen nach einem Jahr verstanden und wie prognosefähig sind sie? "Wir waren im vergangenen Jahr mehrfach ziemlich überrascht", sagt Bardt. "Wir waren deutlich zu pessimistisch, was die Konjunkturerwartungen angeht, wir haben die schnelle Erholung der Industrie unterschätzt." Das IW hat aber laufend die Auswirkungen der Krise auf die Unternehmen und Branchen analysiert. Im Frühjahr 2021 falle die Konjunkturprognose dagegen etwas leichter, weil die starken Ausschläge der Industrie ausbleiben. Leidtragender im langen zweiten Lockdown sind hingegen die Dienstleister. 

Unsicherheit wiederum entsteht durch nicht vorhersagbare politische Beschlüsse zur Corona-Bekämpfung mit allen Folgewirkungen. "Wären Grenzschließungen Realität geworden, wären die Auswirkungen erheblich. Aktuell sorgen wir uns um Lieferketten, die durch die schnelle Erholung und andere Einschränkungen unter Druck geraten sind", sagt Bardt. Wenig wissen die Volkswirte auch noch darüber, wie lange eine Branche diesen Ausnahmezustand aushält, bevor eine Vielzahl an Unternehmen endgültig aufgeben muss. "Zum Glück hatten wir das bislang nie ausprobiert. Aber derzeit tun wir genau das."

Klös nennt eine weitere grundsätzliche Unsicherheit: Zu welchen strukturellen Verhaltensänderungen wird die Pandemie bei Bürgern, Arbeitnehmern und Unternehmen führen? "Werden wir in bestimmten Punkten nicht mehr zurückkehren zum Status quo ante? Wie wird das 'neue Normal' aussehen? Stimmen die Prognosen zum Beispiel zur abnehmenden Büro- und Reisetätigkeit?" Letztlich sei das eine Frage nach dem Wesen der Menschen: Wie sehr verändert das für Viele erste echte Krisenerlebnis unser künftiges Verhalten – oder eben nicht? 

Stimmung

Ein Punkt stimmt Klös mit Blick nach innen nachdenklich: Im Corona-Jahr ist der Wissenschaftsbereich dank des Projektgeschäfts auf einen bisherigen Höchststand an Mitarbeitern gewachsen. Coronabedingt aber kamen neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Ausnahmesituation an Bord, der persönliche Kontakt wird für sie und alle anderen Wissenschaftler ersetzt durch digitalen Austausch. "Die Nähe zueinander, auch zu den neuen Kollegen, hat darunter etwas gelitten", sagt Klös. "Und die beiläufige Innovationsfähigkeit und der Austausch von Ideen, die sich durch zufällige Treffen oder Gespräche über einem Kaffee ergeben, werden dadurch ebenfalls etwas erschwert."

In den ersten Pandemiemonaten hätten – wie überall – im IW Anspannung und Unsicherheit dominiert: Was bedeutet die Krise fürs Haus inhaltlich und wirtschaftlich, was für die Mitarbeiter persönlich? "Das sollte nicht unter den Tisch fallen", sagt Klös. "Auch wenn wir gut herausgekommen sind und ein sehr erfolgreiches Jahr hatten – anfangs war das so nicht absehbar." Umso mehr gebühre dem ganzen Team im Wissenschaftsbereich große Anerkennung für die gemeinsame Energieleistung unter für alle erschwerten Bedingungen. 

Corona 3/5

Das Pandemie-Programm des Direktors

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Michael Hüther in der Talkshow von Anne Will am 24. Januar 2021. Foto: Screenshot ARD-Mediathek

IW-Direktor Michael Hüther ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie gefragt wie selten. Eine Übersicht seiner Gastbeiträge, Kommentare und Interviews zur Krise und ihren Folgen:

"Wir sollten Gesundheits- und Wirtschaftsinteressen nicht gegeneinander stellen."

"Was medizinisch notwendig ist, kann hohe ökonomische Schäden verursachen. Diese wiederum können ihrerseits wieder soziale, psychische, aber auch medizinische Folgen haben."

"Je länger der Lockdown dauert, desto mehr Risiken handeln wir uns an anderer Stelle ein."

"Absolute und vor allem umfassende Sicherheit gibt es bei keiner Strategie. Wer so tut, der übersieht die Risiken des gewählten Weges und suggeriert damit, dass es keine Alternative gäbe."

"Gerade in einer solch schwierigen Phase brauchen wir im wirtschaftlichen Leben Orientierung, Stabilität und Sicherheit. Das kommt bisher zu kurz."

"Immer, wenn der Staat in die Nähe unternehmerischer Verantwortung kommt, ist besondere Obacht geboten."

"Mit zunehmendem Wissen über das Virus und seine Verbreitung geht auch eine stärkere Verpflichtung für die Politik einher, überall dort, wo es unter epidemiologischen Gesichtspunkten vertretbar erscheint, die Grundrechtseingriffe zurückzunehmen und den Weg in eine verantwortungsvolle Normalität zu gestalten."

"Lockerungen müssen sich an der gesellschaftlich-ökonomischen Wirksamkeit orientieren und epidemiologisch beherrschbar sowie kontrollierbar sein. Es ist nicht mehr die Stunde der Verbote, sondern der Regeln."

"Uns droht eine Spaltung der Gesellschaft: Zwischen denen, die von der Krise besonders betroffen sind und denen, die von ihr verschont geblieben sind, zwischen Eltern und Kinderlosen, zwischen denen, die sich schnell erholen und denen, die länger brauchen werden."

"Je weiter die Krise voranschreitet, desto stärker muss nun nach der tatsächlichen Lage differenziert werden."

"Wir müssen die Modernisierung des Kapitalstocks mit Blick auf die großen Fragen Digitalisierung, Klimawandel und demografische Alterung vorantreiben."

"Ein konjunktureller Impuls hat immer Streuverluste, aber unter extremen Bedingungen liegt hier das geringste Problem. Es geht um ein kräftiges, kurzes Signal."

"Generell ist jedoch der breite Ansatz des Konjunkturpakets mit einer Mehrwertsteuerabsenkung anstelle eines Sammelsuriums branchenorientierter Einzelmaßnahmen gutzuheißen."

"Konjunkturprogramme sollen immer schnell wirken, und sie müssen deshalb befristet sein, sie müssen zur rechten Zeit kommen, und sie müssen einigermaßen zielgenau sein."

"Wir befinden uns im Tal der Tränen: Die Lage hat sich noch nicht aufgehellt, wohl aber die Erwartungen – und dies in einem historischen Ausmaß, ähnlich dem vorherigen Absturz."

"Der Staat verschenkt das Geld nicht, sondern gibt es in den Wirtschaftskreislauf."

"Wichtig ist, dass man über eigenkapitalunterstützende Maßnahmen nachdenkt, dass man nachdenkt über steuerliche Maßnahmen, die nochmal, ähnlich dem schon verbesserten Verlustrücktrag, das Geld in den Unternehmen lassen."

"Marktwirtschaften suchen in Freiheit ihren Weg, wenn man sie lässt."

"Ich befürchte eine Fragmentierung der Gesellschaft. Wir müssen uns fragen, wie wir als moderne Gesellschaft mit dieser Polarisierung umgehen können."

"Es gerät zunehmend in den Fokus, wie sich die Corona-Krise auf den Finanzsektor auswirkt. Die Hauptsorge lautet, dass sich die realwirtschaftliche Krise über eine Insolvenzwelle auf das Bankensystem überträgt."

"Herr Altmaier kann viele Dinge wunderbar erklären und verständlich begründen. Es hapert nur hie und da an der Umsetzung."

"Der Expertenrat ist sich darin einig, dass zukünftig bei steigenden Infektionszahlen alles daran zu setzen ist, drastische flächendeckende Maßnahmen zu vermeiden, insbesondere einen erneuten landesweiten Lockdown."

"Wenn perspektivisch keine Rückkehr zu einem weitgehend normalen Leben zu erkennen ist, entsteht immenser Schaden. Es werden Strukturen zerstört, die mit Geld nicht zu retten sind; die Bedrohung ist existenziell."

"Ganz wichtig ist eine politische Strategie für die mittlere Sicht, denn wir können nicht alle paar Monate Gesellschaft und Wirtschaft herunterfahren."

"Die Politik hat sich in einem eindimensionalen, nicht erfüllbaren Sicherheitsversprechen verfangen."

"Der Staat ist für die Situation verantwortlich, entsprechend muss er selbstverständlich den Unternehmen ihre Kosten erstatten – und zwar schnell, transparent und einfach."

"Sollte der Lockdown ins neue Jahr hineingehen, wird man sehr viel genauer auf die Lage der einzelnen Unternehmen schauen und Überförderungen vermeiden müssen."

"Es ist historisch völlig verfehlt, die Corona-Pandemie mit der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg zu vergleichen, als der Kapitalstock zerstört war, als das Land zerstört war, die politischen Systeme nicht funktionierten und zudem noch ein moralischer Bankrott zu erklären war."

"Mit zunehmender Dauer des Lockdowns drängt sich der Wunsch auf, nicht nur einfache, sondern zugleich treffsichere und anreizorientierte Instrumente einzusetzen."

"Corona ist für die Finanzmärkte nur noch im Rückspiegel sichtbar, und diese Sichtweise ist mit Blick auf die Industrie berechtigt."

"Wir sollten froh und dankbar sein, dass anders als in dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 die Industrie so robust läuft."

"Es muss endlich möglich sein, mehr über das Infektionsgeschehen zu wissen. Fehlende Daten waren noch im Frühjahr 2020 hinnehmbar, jetzt nicht mehr. Der Vorschlaghammer ist jetzt nur im Einsatz, weil wir die Infektionen immer noch nicht differenzieren können."

"Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsministerium sind gleichermaßen dafür verantwortlich, dass die November- und Dezember-Hilfen an Firmen nicht richtig, und wenn überhaupt nur mit Abschlagszahlungen auf die Straße kommen."

"Das von der Politik während der Corona-Pandemie insinuierte Versprechen des umfassenden Lebensschutzes wird sich indes nicht durchhalten lassen."

"Das ermüdende Narrativ, die Krise könnte diesmal durch diese, oftmals allzu unspezifische Maßnahme langfristig bewältigt werden, ist weder sachlich noch im Hinblick auf die gesellschaftliche Stimmung zielführend."

"Man müsste fragen, ob eine Inzidenz von 50 in dieser Jahreszeit und mit unseren kulturellen Gewohnheiten nicht einfach unrealistisch ist und ob unser Gesundheitssystem die Folgen nicht auch mit doppelt so vielen Infektionen bewältigen könnte."

"Deutschland hängt die Kinder aus bildungsfernen Haushalten ab, der wochenlange Distanzunterricht verschärft die sozialen Gegensätze weiter."

"Zu wenig wird gefragt, was bisher geholfen hat – und was eben nicht."

"Eine Inzidenz von Null erfordert Abschottungsmaßnahmen, die für unsere freiheitliche demokratische Gesellschaft nicht erträglich wären."

"Für Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien gibt es in der Regel keinen oder nur unzureichenden Ersatz für die fehlende schulische Bildung und Betreuung; die Pandemie hat dies nochmals besonders augenfällig gemacht."

"Die Pandemie hat die Rolle der Wissenschaften im öffentlichen Diskurs und gegenüber der Politik verändert."

"Die Gesellschaft muss sich, so schwer das ist, darüber unterhalten, mit welchem Maß sie – wie bei anderen Krankheiten – zurechtkommt."

"Mit Steuererhöhungen kommen wir aus keiner Krise heraus."

"Es gibt derzeit zwei Perspektiven: Die einen wollen das Virus ausmerzen, die anderen wollen es beherrschbar machen. Meine Position ist die letztere, obwohl ich mir ersteres auch gerne wünsche."

"In der Krise zeigt sich, dass unsere Verwaltung doch nicht so gut funktioniert, wie wir immer dachten oder vielmehr: hofften."

"Die deutsche Wirtschaft ist zunehmend gespalten."

"Die Frage, ob der Staat in der Krise als Retter auftreten sollte, lässt sich also sehr schnell und grundsätzlich mit 'Was denn sonst?' beantworten."

"Die bisherige Logik aus Zuwarten und erneutem Verlängern des Lockdowns überfordert die gesellschaftliche Spannkraft ebenso wie die ökonomische Existenzsicherung."

"Ein Appell an Eigenverantwortung reicht nicht aus, wenn den Menschen nicht zugleich die organisatorischen, technischen und ökonomischen Mittel in die Hand gegeben werden, ihre Situation und damit auch ihr Verhalten selbst zu gestalten."

"Eigenverantwortung setzt voraus, dass wir den Menschen mehr Zutrauen entgegenbringen und dass wir eine entsprechende Infrastruktur offerieren."

"Die Verteilung der verfügbaren Haushaltseinkommen ist aufgrund des funktionierenden Sozialstaats als Teil der Architektur der Sozialen Marktwirtschaft bislang nicht ungleicher geworden."

"Denn um diese Corona-Schulden abzutragen, brauchen wir ein starkes Wirtschaftswachstum mit vielen Millionen zusätzlichen Beschäftigten, die durch ihre Steuern dem Staat zu neuen Einnahmen verhelfen."

"Alle großen Krisen der letzten Jahre waren auch administrative Krisen, sei es auf dem Arbeitsmarkt vor 20 Jahren, in der Fluchtkrise 2015 oder der Pandemie."

"Ich wehre mich gegen die These, es seien oft die Falschen gerettet worden. Geholfen wurde und wird jenen, die staatlich verordnet entweder gar keine beziehungsweise nur begrenzte Geschäfte machen können."

"Es wird zu wenig über strukturierte Öffnungsmöglichkeiten gesprochen. Und es ist nicht zufriedenstellend, dass die Experimente wie beispielsweise in Tübingen jetzt beendet werden mussten."

"Der Weg aus den Schulden könnte ohne Steuererhöhung funktionieren."

Corona 4/5

Das Virus und die Verwaltung

Ein Vorhaben, das paradigmatisch für das Motto dieses Geschäftsberichtes „Im Heute für morgen“ steht, war der Workshop zum Thema „Umsetzungskrise der öffentlichen Verwaltung“, in dem die Corona-Krise aus Sicht von Politik und Verwaltung durchleuchtet wurde. Hierzu versammelte sich Anfang Mai 2021 virtuell ein kleiner, aber sehr feiner Kreis von Experten und Praktikern aus diesen Bereichen und aus der Wissenschaft – viele von ihnen mit Oberbürgermeister-, Minister- oder Behördenchef-Erfahrung wie beispielsweise Frank-Jürgen Weise, David von der Lieth, der Chef der Berufsfeuerwehr Düsseldorf, oder Garrelt Duin, ehemaliger Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen und heutiger Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln.

Die kommunale Sicht brachten unter anderem die ehemaligen Oberbürgermeister Dieter Salomon, Freiburg, und Thomas Geisel, Düsseldorf, ein. Dazu kamen für die Wissenschaft neben den Kollegen aus dem IW Armin Nassehi, Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, und Wolfgang Seibel von der Universität Konstanz. Der inhaltliche Spannungsbogen reichte von Steuerungsproblemen im föderalen System und dessen mangelnder Schnittstellenfähigkeit über Schnelligkeitsdefizite in der Krise bis hin zu Anreiz- und Sanktionsmechanismen (bzw. deren Fehlen) und Führungsfragen. Nach diesem anregenden Themenaufriss wurde beschlossen, das Thema weiter zu vertiefen – im nächsten Geschäftsbericht werden Sie nachlesen können, wie es weiterging. 

Corona 5/5

"aktiv" auch im Ausnahmezustand

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie verändert sich in Unternehmen einiges in Sachen Mitarbeiterkommunikation. Vorstandschefs senden Videobotschaften, Intranets werden mit neuen Multimediaformaten angereichert, Newsletter informieren über das aktuelle Geschehen. Die Herausforderung für die Wirtschaft: Wie erreicht man Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die häufiger von zu Hause arbeiten, an denen die Vor-Ort-Kommunikation also vorbeigeht? 

Eine Antwort bleibt auch in der Corona-Krise: die Wirtschaftszeitung aktiv. IW Medien konzipiert, erstellt und vertreibt sie im Auftrag von Arbeitgeberverbänden. "Wir beweisen während Corona, wie wertvoll vor allem der Einzelversand für die Verbände und ihre Botschaften ist", sagt Redaktionsleiter Thomas Goldau. "Einzelversand" beschreibt die Art und Weise, wie aktiv die Leser erreicht: Ein Großteil der Auflage geht per Post an die Privatadressen von Industriebeschäftigten. 

Konstruktive Inhalte, die Mut in der Krise machen 

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ein frühes aktiv-Cover zu den Corona-Auswirkungen.

Dieser direkte Draht hält auch ins Homeoffice und während der Kurzarbeit. Gleich zu Beginn des ersten Lockdowns haben einige Finanziers von aktiv sich so an die Belegschaften gewandt: Die Ausgaben für die Metall- und Elektroindustrie in Hessen und Niedersachsen etwa druckten einen Brief der jeweiligen Verbandschefs an die Belegschaften ab. Der Tenor: Gemeinsam schaffen wir das, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einem Strang ziehen. In der bayerischen M+E-aktiv sandte Verbands-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt dieselbe Botschaft per Interview. Goldau betont die grundsätzliche Bedeutung solcher Aussagen: "Gerade in dieser Phase akuter Unsicherheit war es wichtig, dass von den Arbeitgebern Signale kommen, die Mut machen und durch den Einzelversand Wertschätzung zeigen." 

Seitdem sind die Pandemie und ihre Folgen fester Bestandteil der aktiv-Berichterstattung geworden. Selbstverständlich, betont Goldau: "Unser Anspruch ist noch derselbe wie bei unserer Gründung 1972 – anschlussfähig bleiben an die Themen, die die Menschen in den Betrieben bewegen." Der journalistische Zugang ist dabei vor allem konstruktiv: Wie reagieren Unternehmen auf die Herausforderungen durch Corona? Wie verändern sich Abläufe, Geschäftsmodelle, Produktpaletten unter Pandemiebedingungen? "Wir zeigen, dass die Firmen etwas tun, dass sie zur Bewältigung der Krise beitragen." Dazu zählten anfangs Berichte über Unternehmen, die ihre Produktion spontan auf stark nachgefragte Artikel wie Beatmungsgeräte und Schutzschilde aus Kunststoff umstellten. Hinzu kamen Texte etwa zu Fragen zum Beschäftigungsverhältnis und dem Virus. Das Interesse daran ist anhaltend hoch: Wer "arbeitsrecht corona" googelt, wird als einen der ersten Treffer auf diesen Beitrag von www.aktiv-online.de stoßen; seit Monaten ist er der meistgelesene Beitrag auf der aktiv-Webseite. 

Längst widmet sich die Redaktion auch den übergeordneten Fragen und dem strukturellen Wandel durch Corona, sei es in einzelnen Betrieben oder für den Industriestandort Deutschland insgesamt. Einziger Wermutstropfen in der aktuellen Situation: Die inhaltliche Nähe zu den Lesern ist geblieben, die tatsächliche nicht. aktiv-Autoren absolvieren derzeit deutlich weniger Vor-Ort-Termine in Unternehmen. Die Videokonferenz hat sich als Recherchewerkzeug etabliert, Fotos liefern Betriebe auch einmal selbst. Im Ergebnis stellt Goldau gleichwohl fest: "Wir sind überrascht, dass und wie gut wir weiterhin mit den Unternehmen kommunizieren können. Die teils über Jahre gewachsenen Verbindungen helfen uns jetzt, 'reinzukommen', und sei es eben per Teams-Call."

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Immer wieder widmet aktiv sich den Folgen von Corona für die Arbeitswelt und beantwortet auch arbeitsrechtliche Fragen.

Inhalte sind politischer geworden

Anschlussfähig bleiben heißt in der Pandemie aber auch, Kritik aufzugreifen. Etwa an Versäumnissen der Politik. Da habe Corona einige Probleme offengelegt oder fokussiert, sagt Goldau. Intensiv beschäftigt hat sich die Zeitung etwa mit der (fehlenden) Handlungsfähigkeit des Staates bei der Digitalisierung der Schulen. Und weil sicher auch in deutschen Betrieben manche Verschwörungserzählung rund um die Pandemie kursiert, ist aktiv in die Kontroverse eingestiegen und hat gängige Behauptungen entkräftet. "Wir sind durch Corona ein Stück weit gesellschaftspolitischer geworden", sagt Goldau. 

Journalistisch betrachtet, wird das Virus ihm und seinem Team noch lange Anlässe und Material für Beiträge liefern. Anderes dürfe darüber aber nicht unter den Tisch fallen, betont Goldau: "Digitalisierung, Dekarbonisierung, Nachhaltigkeit – diese Megatrends werden Unternehmen und Mitarbeiter auf absehbare Zeit beschäftigen." Der Green Deal in der EU, die Potenziale von Wasserstofftechnologien oder auch Herausforderungen wie die Fachkräftesicherung: aktiv wird im Normalzustand so nahe an den Debatten bleiben, wie das auch im Ausnahmezustand gelingt.

Standort Deutschland

Fitmachen fürs Morgen.

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Standort Deutschland 1/2

Wie geht es weiter mit der Autoindustrie?

Viel Flughöhe in sehr kurzer Zeit: So lassen sich die Rahmenbedingungen für den IW-Report "Eine Branche unter Druck: Die Bedeutung der Autoindustrie für Deutschland" umreißen. Binnen fünf Wochen im Sommer 2020 hat das IW im Verbund aus Wissenschaft und IW Consult einen umfassenden Zustandsbericht für eine von Deutschlands Schlüsselbranchen erarbeitet. 

Vor dem ersten "Autogipfel" im September wurde ein realistisches Bild von Zustand und Herausforderungen einer Industrie gezeichnet, die durch Corona in eine beispiellose Krise gerutscht war. Lieferketten gerissen, Produktion gestoppt, Beschäftigte in Kurzarbeit. Hinzu kommen Digitalisierung und Elektrifizierung als Treiber des Strukturwandels in der Branche. 

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Das VW-Werk in Zwickau. Foto: Volkswagen AG

"In dieser Zeit wurde über eine Abwrackprämie gestritten, viele Stimmen erweckten den Eindruck, diese Branche 'könne weg.' Wir wollten daher vor dem Autogipfel einen Überblick über die zentrale Bedeutung der Branche für den Standort Deutschland geben und verdeutlichen, in welcher Krise sich gerade viele kleinere Zulieferer befanden", sagt IW-Automobilexperte Thomas Puls. Gemeinsam mit Manuel Fritsch von der IW Consult war er der Lead-Autor der Studie. Die Autoindustrie erzielt fast 89 Milliarden Euro oder 9,8 Prozent der Bruttowertschöpfung der deutschen Volkswirtschaft. Sie tätigt 40 Prozent der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe, mehr als 930.000 Arbeitsplätze hängen an ihr. Oder wie es in der Studie übergreifend heißt: "Ob als eigenständiger Wirtschaftsbereich, als Kunde anderer Industriebranchen oder als Finanzier von Forschung: die Autoindustrie ist ein wichtiger Treiber für den Wohlstand in Deutschland." 

Kraftakt im Verbund

Entsprechend umfassend ist das Bild, das die Autoren geliefert haben. Input kam von den IW-Innovationsexperten Oliver Koppel und Enno Kohlisch, welche die IW-eigene Patentdatenbank ausgewertet haben. Konjunkturforscher Michael Grömling analysierte den Wachstumsbeitrag der Autobauer, Hagen Lesch lieferte Input zum Tarifsystem. "Dass der Report in der Kürze der Zeit zustande kam, liegt am Wissen und den Themen, die wir im Verbund haben", betont Puls. "Wir haben unheimlich viel Wissen in kurzer Zeit zusammengezogen." 

Die Wissenschaftler haben dabei eine Pionierleistung erbracht was die wirtschaftlichen Verflechtungen der Auto- in andere Industrien angeht: So hat Fritsch Wertschöpfungsnetzwerke nachvollzogen, die die amtliche Statistik gar nicht hergibt, weil sie Unternehmen anders klassifiziert. Das Unternehmen von IW-Präsident Arndt G. Kirchhoff etwa, Kirchhoff Automotive, wird nicht als Autozulieferer gelistet, sondern als Metallverarbeiter. Die Auswertung auch solcher Mikrodaten lässt Puls feststellen: "Der große Mehrwert des Reports ist ein rundes, detailliertes und vor allem differenziertes Bild der Branche, ihrer Unternehmen und Herausforderungen."

Detailliertes und differenziertes Bild der Branche

Neben der grundsätzlichen Bedeutung ist die unterschiedliche Betroffenheit eine Kernerkenntnis des Reports. "Man kann nicht von DER Autoindustrie reden", sagt Puls. "Wir haben mindestens drei, eher vier, die auch ganz unterschiedlich mit Zukunftsaufgaben konfrontiert sind. Die unterschiedlich aus der Krise und dem angelaufenen Transformationsprozess herauskommen werden." 

  • Um die Hersteller müsse man sich nicht sorgen, "die zeigen gerade, dass sie sich umstellen können und verbuchen Rekordzahlen dank China". 
  • Große Zulieferer können sich ebenfalls gut anpassen. Im Zweifelsfall kaufen sie einfach Kompetenzen zu, die sie noch nicht haben und stoßen auslaufende Geschäftsfelder ab. 
  • Kleine und mittlere Zulieferer von Komponenten, die nicht von der Elektrifizierung abhängen, entwickelten sich grundsätzlich mit den Weltmärkten, vor allem jenem in China. 
  • Die größten Probleme kämen auf jene Zulieferer zu, die vor allem für den konventionellen Antriebsstrang produzieren, etwa Getriebe und Abgassysteme. 

Beim Zielpublikum sei diese Botschaft angekommen, sagt Puls: "Diese Erkenntnis hat sich inzwischen auch in der Politik durchgesetzt. Man kann aus guten VW-Zahlen eben nicht schließen, dass in der Autoindustrie alles toll ist." Der IW-Experte stimmt nicht in den verbreiteten Abgesang auf die Autobauer ein, sagt jedoch: "Das starke Wachstum der letzten 15 Jahre sehe ich nicht mehr." Zwar kämen die Hersteller viel besser durch die Krise als Wettbewerber in anderen Ländern, weil sie frühzeitig das Premiumsegment besetzt und ihre Produktion auf die Wachstumsmärkte globalisiert hätten. "Aber das Problem entsteht, wenn diese Strategie nicht mehr trägt. Wenn wir nach der Pandemie über De-Globalisierung reden, über verkürzte Lieferketten – dann hieße das für Deutschland, dass wir Produktion an China verlieren. Akzeptiert der chinesische Käufer eine in China gefertigte S-Klasse, kriegen wir am Standort Deutschland ein Problem."

Darin steckt auch eine ernüchternde Botschaft für die politischen Gastgeber von Autogipfeln: Man dürfe den deutschen Markt nicht überbewerten, betont Puls. "Das Heil der Hersteller hängt an China."

IW Consult analysiert regionale Automobilnetzwerke

Aufbauend auf dem Report, plant Puls zusammen mit Koppel und Kohlisch nun eine erweiterte Patentanalyse der Autobauer mit Fokus auf den elektrifizierten Antriebsstrang. Fritsch und seine Kollegen bei der IW Consult haben bereits nachgelegt: In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IAO ist im Frühjahr 2021 die Studie "Zukunft der Automobilwirtschaft in Nordrhein-Westfalen" erschienen, beauftragt vom Landeswirtschaftsministerium in Düsseldorf. Methodisch und inhaltlich setzt die Consult auch auf den Vorarbeiten aus 2020 auf. "Wir müssen für regionale Studien viel genauer auf die Mikrodaten schauen, sei es bei der Klassifikation der Unternehmen, sei es bei Standortdaten, um die aktuellen Fragestellungen für die Autobauer beantworten zu können", sagt Fritsch. "Nicht nur, wo sie sitzen. Sondern zum Beispiel auch, wie groß ihre Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor ist." 

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das Ford-Werk in Köln. Foto: Ford AG

Kernfragen der Zukunftsstudie lauteten: Wie steht NRW in der Automobilwirtschaft da? Wie viele Unternehmen erbringen wie viel Wertschöpfung mit wie viel Beschäftigten? Wie viele Unternehmen sind abhängig vom Verbrenner? Und wie schneidet die Region im Vergleich mit den automobilen Herzländern Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen ab? "Für solche Antworten haben wir in den vergangenen Jahren einfach eine gute Methodik entwickelt", sagt Hanno Kempermann, Leiter Branchen & Regionen der Consult. Die wichtigsten Antworten: 

  • NRW steht gut da bei der Elektrifizierung, weil viele Unternehmen daran arbeiten. 
  • Wenige Unternehmen sind vom Verbrennungsmotor abhängig, dafür viele von sonstigen Komponenten wie Karosserie, Fahrwerk, Licht, Interieur, Exterieur. 
  • Das Land hat ein sehr gutes System aus Wissenschaft und Forschung. 
  • Es hängt aber zurück bei Faktoren wie Fachkräfteversorgung, Patenten und Infrastruktur. Dort punkten die über Jahrzehnte gewachsenen Automobilcluster in Süddeutschland. 
  • NRW sollte ein "Ökosystem Neue Antriebe" aufbauen rund um Elektrifizierung und Wasserstoff. 
  • Außerdem lohne sich eine Spezialisierung Richtung Cybersicherheit fürs Autonome Fahren. 

Für Bayern und das Saarland hatte die IW Consult bereits ähnliche Automotive-Studien angefertigt. 

Automobil-Projekt für Bundeswirtschaftsministerium

Solche Regionalkompetenz lässt sich natürlich auch in bundesweiter Kompetenz bündeln. Derzeit arbeiten IW Consult und Fraunhofer IAO am Projekt "Automobile Netzwerke in Deutschland" des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi). Die Fragestellungen gleichen denen aus NRW – nur eben für ganz Deutschland: "Wir schätzen ab, welche Regionen vom automobilen Wandel besonders betroffen sind und wo es Chancenregionen gibt", sagt Kempermann. Die Consult ist für die kompletten Mikrodaten zuständig. Im ersten Schritt haben die Experten 50.000 Unternehmen aus dem Wertschöpfungsnetzwerk Auto identifiziert und nach Verbrenner, Elektrifizierung, Automatisierung und Vernetzung klassifiziert, also ihren technologischen Chancen- und Problemfeldern. 

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Batteriefertigung bei Daimler. Foto: Daimler AG

Vorliegen sollen die Ergebnisse im Spätsommer 2021, erste Karten mit Daten und Regionen sind aber bereits entstanden und wurden in die Autogipfeltreffen eingespeist. "Der schönste Erfolg war, dass wir eine Karte zugeliefert haben zu einem BMWi-Papier, zu dem es eine Rückfrage aus dem Bundeskanzleramt gab", erzählt Kempermann. Die Consult hatte visualisiert, welche Kreise besonders automobilaffin sind, nun ging es darum, welche Unternehmen sich jeweils dahinter verbergen. Also lieferte die Consult binnen weniger Stunden eine Übersicht. 

Noch einmal deutlich größer sei das Interesse in der Wirtschaft, berichtet Kempermann. "Die Branche ist sehr gespannt auf unsere Ergebnisse. Wir sind im engen Kontakt mit den Automotive-Netzwerken, weil sie unsere Ergebnisse nutzen möchten, um den Dialog mit dem Bundesministerium weiter zu intensivieren." Schließlich geht es um die Zukunft einer Schlüsselbranche. 

Standort Deutschland 2/2

Integer Wirtschaften. Oder: was Max Weber und Robert Habeck gemeinsam haben

Es sind Sätze, die Furore machten, weniger aufgrund des Inhalts als vielmehr aufgrund des Redners: "Der Kapitalismus hat uns unfassbare Erfolge beschert. Auf der Welt lebt es sich insgesamt gesehen heute besser und sicherer, reicher und satter, gesünder und länger als es jemals für eine Menschheitsgeneration auf diesem Planeten galt." Gesagt hat sie Robert Habeck, der Grünen-Vorsitzende, in seiner Festrede zum Max-Weber-Preis für Wirtschaftsethik 2021. Geteilt hat sie das IW über seinen Twitter-Account – mit beispielloser Resonanz: 400.000 Ansichten, weit über 500 Likes, 350 Retweets, mehr als 200 Antworten. Ein “normaler” IW-Tweet generiert maximal ein Zehntel dieser Werte. Zudem berichteten mehrere Tageszeitungen über den Auftritt; das Handelsblatt druckte sogar einen Teil der Rede ab und nahm sie zum Anlass eines – Grünen-kritischen – Kommentars.

Dominik Enste, Leiter des IW-Kompetenzfelds Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik und Ausrichter der Preisverleihung, nennt die Rede "ausgewogen. Für die grünen Realos gut, für die eher Linken sicher schwer verdaulich. Habeck sagt zwar nicht, dass die Marktwirtschaft per se gut ist. Aber dass überall, wo es gut ist, Marktwirtschaft herrscht". 

Habeck war der erste grüne Festredner in der Geschichte des Max-Weber-Preises. Zweijährlich erhalten ihn die Autoren herausragender wissenschaftlicher Arbeiten zu aktuellen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragen (hier geht es zur Übersicht der Preisträger 2021). Die Auflage 2020 war pandemiebedingt um ein Jahr verschoben worden und fiel somit ins Bundestagswahljahr. Dadurch weist Habecks Auftritt über den Anlass hinaus: "Wir werden nach der Bundestagswahl vermutlich eine Schwarz-Grün-Koalition bekommen", sagt Enste. "Also ergibt es Sinn, die Akteure frühzeitig einzuladen und kennenzulernen." Vor diesem strategischen Hintergrund hat das IW sich auch mit dem Grünen-Programm in Sachen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik auseinandergesetzt.

IW Akademie: Digitale Angebote und Wachstumspläne

Folgen hatte die Pandemie auch für die IW Akademie, die unter Enstes Leitung Weiterbildungen mit einer Kombination aus ökonomischen, psychologischen und ethischen Inhalten anbietet. Der Masterstudiengang "Behavioral Ethics, Economics and Psychology" etwa wanderte kurzfristig ins Virtuelle. "Wir haben als einer der ersten Präsenzstudiengänge in Deutschland schon Ende März 2020 auf Online-Angebote umgestellt", sagt Enste. Digital wurde auch das Seminarprogramm, das die Akademie für Stipendiaten der Stiftung der Deutschen Wirtschaft ausrichtet. 

Gravierende Nachteile bei Interaktion oder Diskussion hat Enste in den Webinaren via Zoom nicht beobachtet. Das Gegenteil war der Fall, wenn es um die Corona-Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft aus ethischer Perspektive ging: "Wir haben Studierende mit verschiedenen Hintergründen dabei, ob Wirtschaft, Medizin oder Theologie. Da ergaben sich Diskussionen mit einer Breite der Standpunkte, wie sie etwa in den Medien nicht immer stattfinden. Zugleich hatten wir digital unkomplizierte Möglichkeiten, Teilgruppen für Debatten oder Aufgaben zu bilden." Gleichwohl vermissten viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Präsenzveranstaltungen im IW-Gebäude, sagt Enste. Auch er selbst: "Unsere Räumlichkeiten, die Lage, die Ausstattung und das Drumherum sind eines unserer Assets. Deshalb werden wir perspektivisch wieder mehr vor Ort machen."

Dazu könnten dann auch Schulungen in den Bereichen Design Thinking, New Work, Corporate Social Responsibility (CSR) und Nachhaltigkeit gehören. Enstes Mitarbeiterin Anna Kern hat schon in mehreren IW-Projekten digitale Workshops mit Methoden aus dem Design Thinking durchgeführt, unter anderem mit Bundesministerien und dem Chemieunternehmen Bayer. Eigentlich lebt Design Thinking aber vom intensiven direkten Austausch, für den das IW vor einigen Jahren eigens den Kreativraum "Stanford" eingerichtet hat. Enste sieht Wachstumschancen auf diesem Gebiet also vor allem nach der Pandemie. Gemeinsam mit der jüngsten IW-Tochter 3k will er zudem Beratungen in CSR und Nachhaltigkeit aufbauen. Neben dem wirtschaftlichen Beitrag zum IW-Verbund geht es Enste dabei um die ideelle Rolle der Akademie: "Wir bringen junge Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen ins Gespräch. Wir vermitteln ihnen, wie wichtig evidenzbasierte Entscheidungen und das Abwägen von Standpunkten und Gütern sind. Und wir wollen sie von der Sozialen Marktwirtschaft überzeugen."

Soziale Fragen

Was Wirtschaft und Gesellschaft prägt.

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Soziale Fragen 1/3

"Vorstellungen, die problematisch werden könnten"

"Die Folgenabschätzung politischer Vorschläge gehört zum täglichen Brot des Ökonomen", sagt IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer. "Das ist eine klassische Dienstleistung für unsere Mitglieder." Im Jahr der Bundestagswahl heißt das, sich mit den Plänen der Parteien für Deutschland, seine Wirtschaft und Gesellschaft auseinanderzusetzen. Im Laufe des Jahres 2021 werden IW-Ökonomen dies immer wieder tun, die Bundestagswahl ist ein Metathema im Wissenschaftsbereich. 

Schäfer hat mit Blick auf die nicht ganz unwahrscheinliche Regierungspartei Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt und in einem Report vom Februar 2021 deren arbeitsmarkt- und sozialpolitische Programmatik analysiert. "Viele rechnen damit, dass die Grünen Teil der nächsten Bundesregierung sein werden. In ihrer öffentlichen Wahrnehmung liegt der Schwerpunkt aber auf dem ökologischen Umbau. Dabei haben sie sehr elaborierte Vorstellungen im Bereich Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die weitgehend unter dem Radar laufen", beschreibt er seine Bestandsaufnahme. "Wir wollen für Awareness sorgen, was auf die Wirtschaft zukommen könnte, und die Basis schaffen für eine Positionierung."

Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarkts würde beeinträchtigt

Ein Kernbefund: "Die Grünen haben in der Arbeitsmarktpolitik zum Teil Vorstellungen, die aus IW-Sicht problematisch werden könnten, gerade was die Regulierung flexibler Erwerbsformen angeht." So will die Partei 

  • sachgrundlose Befristungen verbieten, 
  • Equal Pay bei Zeitarbeit, also gleichen Lohn für Zeitarbeiter und Stammbelegschaften ab dem ersten Einsatztag, sowie eine zusätzliche Flexibilitätsprämie, 
  • die Arbeit auf Abruf verbieten 
  • und Minijobs abschaffen. 

Der IW-Experte erkennt darin ein Zurück zu eigentlich überwunden geglaubten Strukturen: "Das würde die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarkts in einer Weise beeinträchtigen, wie wir sie schon mal hatten – vor den Agenda-Reformen unter Gerhard Schröder. Der Arbeitsmarkt war verkrustet, in jeder Rezession erreichte die Arbeitslosigkeit neue Höchststände. Junge Menschen standen vor einem Arbeitsmarkt, der sie nicht reinließ."

Neben der Regulierung flexibler Erwerbsformen treibt die Grünen laut Schäfer ein Grundsatzthema um: ein tiefer staatlicher Eingriff in die Lohnfindung und -struktur durch die Festlegung "gerechter" Entlohnung. Dahinter stehe mehr als gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Es gehe um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. "Die Grünen wollen die Idee durchsetzen, dass es etwas wie einen objektiven Wert von Arbeit gibt, und zwar tätigkeitsübergreifend." Krankenschwestern und Mechatroniker etwa könnten dann gleich viel verdienen, wenn ihre Arbeit als physisch und kognitiv gleich schwierig definiert würde. "Dabei ist es eine Sache der Tarifautonomie, wie man einzelne Tätigkeiten entlohnt", betont Schäfer. 

Totalreform der Grundsicherung

In der Sozialpolitik peilen die Grünen eine Totalreform der Grundsicherung an: Sanktionen will die Partei abschaffen, der Anspruch auf Grundsicherung würde nicht mehr nach dem Haushaltseinkommen, sondern nach dem Einkommen jedes Einzelnen berechnet. Beide Aspekte seien "völlig falsch", Letzteres kritisiert Schäfer aber besonders deutlich: "Das wäre eine Abkehr vom Prinzip der Subsidiarität, wonach zunächst die unterste Ebene etwas regelt, bevor die nächsthöhere ins Spiel kommt. Bei den Grünen aber übernähme der Staat von vorneherein die Verantwortung für den Einzelnen." Zusammengenommen kämen Sanktionsfreiheit und individualisierte Grundsicherung "dem Charakter eines bedingungslosen Grundeinkommens nahe". 

Anschlussfähig zum IW sind andere sozialpolitische Reformen. Wie gestaltet man etwa das System des Aufstockens? Derzeit sei es attraktiver, geringfügig oder in Teilzeit zu arbeiten, weil bei mehr Stunden die Abzüge so groß würden, dass die Arbeit sich nicht mehr lohne, erklärt Schäfer. Dieses System wollen die Grünen ändern. Das IW auch. "Unsere Ansätze sind unterschiedlich, aber das Ziel ist dasselbe: Mehr Arbeit muss sich mehr lohnen als weniger Arbeit."

Unterm Strich bleibt für Schäfer das Bild einer Partei, die noch zu einseitig auf die Volkswirtschaft blickt: "Die Grünen konzentrieren sich in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zu sehr aufs Verteilen – und zu wenig darauf, wie wir den Kuchen, der verteilt wird, größer machen oder zumindest gleich groß halten." Einerseits hätten sie zahlreiche Ideen, wie sich Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit flexibler einteilen können. Andererseits wollen sie genau die Instrumente stark regulieren, mit denen die Unternehmen diese größere Flexibilität bewältigen können. "Selbst wenn man – wie die Grünen – nicht der Idee folgt, dass so etwas eigentlich besser die Tarifpartner regeln, bleibt ein Ungleichgewicht." 

Soziale Fragen 2/3

Warum sich Kinderrechte lohnen

Wertschöpfungsketten, Exportquoten, Kinderrechte. "Es bringt einen Mehrwert, ein Thema immer auch aus ökonomischer Perspektive zu betrachten. Und wir können unsere Methoden auf jedes Thema anwenden", sagt Thomas Schleiermacher. Der Leiter Empirie und Methoden der IW Consult hat dem volkswirtschaftlichen Kanon der IW-Tochter 2020 einen Aspekt hinzugefügt: Im Auftrag des Uno-Kinderhilfswerks Unicef hat die Consult die Studie "Kinderrechte in Kommunen: Stand und Perspektiven" erstellt. 

Unicef habe nach einer Möglichkeit gesucht, Fakten und Forderungen mit mehr Schlagkraft auch außerhalb der eigenen Community zu platzieren, sagt Schleiermacher. Der Ansatz der Consult: Der Unicef-Appell für mehr Kinderrechte soll nicht nur sozial oder moralisch begründet werden – sondern auch ökonomisch. "Lohnen sich Kinderrechte", nennt der Studienleiter eine Kernfrage. "Hat ein Bürgermeister ein wirtschaftliches Interesse daran, im Interesse seiner Kommune Kinderrechte zu stärken?" 

Mehr Kinderrechte – mehr Einwohner – mehr Geld

Diese wirtschaftliche Begründung hat die Studie geliefert. Schleiermacher fasst zusammen: "Kinderrechte lohnen sich für eine Kommune über einen Umweg: Städte und Gemeinden werden so attraktiver für junge Familien, ihre Einwohnerzahlen steigen – und damit auch die Landeszuweisungen an eine Kommune. Mit diesem Argument ließen sich sicher auch skeptische Kämmerer überzeugen." Die Studie nennt weitere positive Folgen: 

Die Ergebnisse basieren auf einer Befragung, die die IW Consult im Frühjahr 2020 an rund 6.000 Kommunen versandt hatte, unterstützt von kommunalen Spitzengremien wie dem Landkreistag und dem Städte- und Gemeindebund. In der Auswertung waren Kommunen mit mehr als 11 Millionen Einwohnern vertreten. Schleiermacher betont, die Studie sei nicht repräsentativ: "Das ist eher ein Stimmungsbild." 

Mehrheit schneidet gut ab im Kinderrechtsindex

Neben den Ableitungen zum Nutzen der Kinderrechte hat die IW Consult auch Grundlagenarbeit geleistet: Ein eigens geschaffener Kinderrechtsindex gibt an, wie kinderfreundlich Kommunen sind. Errechnet haben die Forscher ihn aus 16 Fragen, die die fünf Dimensionen der Child Friendly Cities Initiative von Unicef konkretisieren. Sie setzt sich dafür ein, 

  • dass Kinder nicht diskriminiert werden, 
  • dass sie beteiligt und informiert werden, 
  • dass sie Zugang zu Bildung haben, 
  • dass sie in einer kinderfreundlichen Umwelt aufwachsen 
  • und dass ihnen ausreichend Spiel- und Freizeitangebote bereitgestellt werden. 

Fast 45 Prozent der Kommunen erzielten einen hohen Indexwert zwischen 60 und 100 Punkten. Ein Drittel erreichte mittlere Werte zwischen 40 und 60, nur 23 Prozent der Kommunen kamen auf ein niedriges Ergebnis unter 40 Punkten. "Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und eines zunehmenden Fachkräftemangels kommt es mehr denn je darauf an, allen Kindern ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen und für Bedingungen zu sorgen, unter denen sie ihre Fähigkeiten entfalten können", sagte IW-Direktor Michael Hüther bei der Vorstellung der Studie kurz vor dem Weltkindertag 2020 am 17. September (siehe Video). "Daher ist folgerichtig, dass ein Großteil der befragten Kommunen erkannt hat, dass das Wohl junger Menschen entscheidend für die Zukunftsfähigkeit ihrer Region ist."

Partizipation von Kindern noch ausbaufähig

Allerdings hätten die Forscher auch eine "gläserne Decke" für Kinder und Jugendliche ausgemacht, sagt Schleiermacher: die Partizipation. Kommunen binden Kinder demnach umso weniger ein, je "weiter weg" etwas von ihnen scheint. "Bei der Gestaltung von Spielplätzen – da werden Kinder und Jugendliche oft noch persönlich einbezogen. Bei Schulen und Jugendeinrichtungen sowie Parks und Grünflächen passiert das schon seltener. Beim Thema Wohnen und Verkehr spielen dann die Belange von Kindern nur noch eine untergeordnete Rolle. Und bei Flächennutzungsplänen scheint die Berücksichtigung von Kinderinteressen sogar oftmals störend. Kurz: Wo es finanziell schmerzhaft werden könnte, fragt man Kinder nicht."

Schleiermacher kritisiert vor allem, dass Kinderinteressen bei der Gestaltung des privaten Wohnumfelds und in der Verkehrsplanung wenig berücksichtigt werden. "Oft kommt das Argument, dass gerade kleinere Kinder solch komplexe Entscheidungen nicht überblicken und bewerten können. Aber das ist falsch", sagt Schleiermacher. So könnten selbst die Jüngsten sehr zuverlässig beantworten, wie sicher sie sich an einem Verkehrsknoten oder an einer bestimmten Kreuzung fühlen. "Um Kinderrechte auch bei solchen Themen künftig stärker zu berücksichtigen, muss man nur altersgerecht fragen und den Kindern und Jugendlichen auf Augenhöhe begegnen."

Soziale Fragen 3/3

Was die AfD stark macht

Auf welchem Nährboden gedeiht Rechtspopulismus? Matthias Diermeier, persönlicher Referent von IW-Direktor Michael Hüther, geht dieser und verwandten Fragen in seiner Promotion nach. Seit 2018 sitzt der studierte Volkswirt an einer politikwissenschaftlichen Doktorarbeit, die sich übergreifend mit den wirtschaftspolitischen Erfolgsfaktoren europäischer Rechtspopulisten auseinandersetzt – Doktorvater ist Karl-Rudolf Korte. Diermeiers drei Analysedimensionen sind Angebot, Nachfrage und Umfeld: Welches wirtschaftspolitische Angebot machen Rechtspopulisten? Welchen sozioökonomischen Hintergrund und welche wirtschaftspolitischen Erwartungen haben deren Wähler? Und schließlich: Unter welchen Umständen gedeihen ihre Wahlergebnisse? Letzteres war 2020 Thema eines – unter anderem in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung – viel beachteten Forschungsbeitrags

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Matthias Diermeier diskutiert seine Thesen auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Brüsseler IW-Büros und des European Policy Information Center. Foto: IW

Diermeier hat dazu den Zusammenhang zwischen Daseinsvorsorge und Rechtspopulismus betrachtet. Kurz gesagt: Wie korreliert die Infrastruktur in deutschen Gemeinden mit den dortigen AfD-Wahlergebnissen? Schon diese Detailtiefe ist wissenschaftliches Neuland. "Bisher war die Analyseebene bei der Suche nach AfD-'Erfolgsfaktoren' zu hoch", sagt Diermeier, "man hat bestenfalls auf Landkreisebene geguckt. Aber viele Landkreise sind sehr heterogen." Zugleich wollte er verschiedene Erklärungsmuster für den Erfolg des Rechtspopulismus vereinen: einerseits die wirtschaftliche Deprivation, also das Abgehängtsein, andererseits ein grundsätzliches Gefühl, der Staat lasse seine Bürger allein. 

Rechtspopulismus und Daseinsvorsorge

"Dazu braucht es eine Analyse auf Gemeindeebene", sagt Diermeier. "Dann hat man nicht mehr 500, sondern mehr als 11.000 Beobachtungen." Also hat er für alle deutschen Gemeinden ein Indikatorenset entwickelt und Daten gesammelt. Die Bahnhofsnähe, die Entfernung zur nächsten Apotheke, die Dauer einer Autofahrt zum nächsten Krankenhaus und zur Autobahn, die Taktung des öffentlichen Nahverkehrs, die Internetverbindung, die Abwanderungsrate, die Kommunalverschuldung und die Schuldichte. Unterstützung dafür erhielt er aus dem IW-Wissenschaftsbereich, vor allem der Forschungsgruppe Big Data Analytics. 

Heraus kam ein Daseinsvorsorgeindex, den Diermeier zu AfD-Wahlergebnissen und Nichtwähleranteilen in Bezug gesetzt hat. So kann er Umstände skizzieren, unter denen verstärkt rechtspopulistisch – oder gleich gar nicht gewählt wird. Weil diese kleinteilige Art der Forschung noch am Anfang steht und manche Daten nur eingeschränkt verfügbar sind, betont Diermeier zwar: "Das sind Korrelationen, keine Kausalitäten." Einige spannende Tendenzen zeichnen sich aber ab: 

  • Im ländlichen Raum – wo man es vielleicht besonders erwartet hätte – ist die Korrelation zwischen Daseinsvorsorge und AfD-Ergebnis besonders schwach. Besonders stark ist sie in den mittelgroßen Städten zwischen 5.000 und 20.000 Einwohnern. Lapidar formuliert, scheint man auf dem Dorf an weniger staatliches Angebot gewöhnt und hat wenig Ambitionen auf ein "Mehr", das in einer Stimme für eine Partei mündet, die den "kleinen Mann" unterstützen will. In mittelgroßen Städten hingegen könnten Erwartungshaltung und entsprechende Enttäuschungsgefühle größer sein. 
  • Die AfD schneidet in Gemeinden mit hohem Industrieanteil stärker ab, was wegen der überdurchschnittlichen Gehälter in vielen Branchen zumindest verwundert. Nachdem Diermeier aber Zahlen aus der IW-Patentdatenbank hinzugezogen hatte, konnte er differenzieren: Wo eine innovationsstarke und damit zukunftsfeste Industrie angesiedelt ist, ist die Korrelation schwächer. Offenbar reicht ein guter sozioökonomischer Status quo allein nicht aus. Es braucht immer auch die Perspektive, dass es mindestens genauso gut weitergeht. 

Lokalpolitik muss Perspektiven schaffen

Was Diermeier nicht nachzeichnen konnte: den für Frankreich behaupteten Bahnhof-Effekt. Französische Forscher hatten Zusammenhänge zwischen der Entfernung von Bahnhöfen und dem Erstarken des Front (inzwischen Rassemblement) National gezogen. "Der Rechtspopulismus wird sicher nicht schwinden, wenn wir Deutschland mit Bahnhöfen zupflastern", sagt Diermeier. 

Was stattdessen helfen könnte, um AfD und Co. den Nährboden zu entziehen? "Es gibt keine Silberkugel, die alleine ausreichen würde." Vieles deutet aber auf zielgerichtete Regional- oder besser Lokalpolitik hin: "Die Menschen haben sehr spezifische Anforderungen an Daseinsvorsorge. Und die muss und kann die Politik auf lokaler Ebene erfüllen." 

Fatal sei hingegen, wenn Politiker davon sprächen, die Globalisierung habe Deutschland soundso viele Arbeitsplätze gebracht – und dann auf dieser Ebene verharrten. "Das ist natürlich ein Schlag ins Gesicht der Regionen, die Arbeitsplätze, Industriestruktur und Industriekultur verloren haben. Ich muss den Menschen vor Ort ein wertschätzendes wie erfolgreiches wirtschaftliches Umfeld ermöglichen." 

Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus dem IW hat Diermeier noch weitere Aspekte rechtspopulistischer Wirtschaftspolitik analysiert: 

Fachkräfte

Wie man sie findet und bindet.

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Fachkräfte 1/3

So unterstützt das IW bei der Einwanderung von Fachkräften

Seit 1. März 2020 ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) in Kraft. Wie erfolgreich die neuen Möglichkeiten zur Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte von außerhalb der EU sein werden, hat auch mit wichtigen Beiträgen aus IW-Projekten zu tun. 

Schon in die Entstehung des FEG eingebunden war "Make it in Germany". Das Portal wird seit 2012 von einem Team um Kerstin Krey betreut. Als Projekt des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) gestartet, ist Make it inzwischen das Dachportal der Bundesregierung in Sachen Fachkräfte aus dem Ausland, es sammelt Informationen und Anlaufstellen, Tipps und Leitfäden und vernetzt alle Akteure zum Thema. "Wir arbeiten mit dem BMWi, dem Bundeskanzleramt, aber auch mit dem Innen-, Arbeits- und Bildungsministerium sowie dem Auswärtigen Amt", sagt Krey. "Das FEG hat unsere Bedeutung dann noch einmal deutlich gestärkt." Eingebracht hat ihr Team etwa Input zu den bisherigen Regelungen, die es aus Befragungen interessierter Zuwanderer auf der Webseite gewonnen hat. Fünf Millionen Besucher zählte das Portal 2020, Make it ist die mit Abstand meistbesuchte Seite im IW-Kosmos. 

Was die Neuregelung erleichtert

Wenn das FEG die gewünschte Wirkung entfaltet, dürfte dieses Interesse noch einmal deutlich steigen. "Das Gesetz hat viel mehr Freiheiten geschaffen", sagt Krey, "auf dieser Grundlage kann man sehr dynamisch auf Bedarfe von Branchen oder Unternehmen reagieren." Die wichtigsten Neuerungen für die Fachkräfteeinwanderung aus den sogenannten Drittstaaten, also von außerhalb der EU: 

  • Paradigmenwechsel bei Fachkräften mit Ausbildung oder Berufsqualifikation: “Für diese Menschen ist nicht mehr zuerst relevant, in welchen Berufen es in Deutschland einen Fachkräftemangel gibt – sondern ihre individuelle Qualifikation und ihre Sprachbildung zählen”, sagt Krey. “Wer ein Arbeitsangebot hat, hat gute Chancen zu kommen.” 
  • Fachkräfte mit Ausbildung oder Berufsqualifikation können nun einreisen, um in Deutschland einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu suchen. Bislang war das nur Akademikern möglich. 
  • Unternehmen können das Beschleunigte Fachkräfteverfahren nutzen, wenn sie einen Drittstaatler einstellen wollen. Bislang mussten sich Zuwanderer selbst durch das Regelungsdickicht kämpfen. Das kann nun das Unternehmen aktiv unterstützen, indem es seine lokale Ausländerbehörde einspannt, die sich gegen Gebühr um ein schnelleres Visums- und Anerkennungsverfahren kümmert. 

Als zentraler Informationsknoten hat Make it im Zuge des FEG zahlreiche Inhalte neu erstellt oder überarbeitet: Die zehn Projektmitarbeiter haben Erklärvideos produziert, Grafiken und Texte angepasst und einen Leitfaden für Unternehmen erstellt. Sie haben ihre Jobbörse und den Visabereich umgebaut, Informationen zur Ausbildung in Deutschland und zu weiteren Berufsgruppen ausgebaut. Immer in enger Abstimmung mit den Stakeholdern in der Bundesregierung, bei Behörden und anderen Akteuren. "Make it ist DIE Kommunikationsplattform zur Fachkräftezuwanderung", betont Krey. "Was wir veröffentlichen, ist offiziell autorisiert und verlässlich." 

IW-Themennetzwerk rund um Fachkräftesicherung

Im IW hat sich längst ein Themennetzwerk rund um Fachkräftesicherung gebildet, mit Einwanderung als wichtigem Strang. "Wir kümmern uns für die Wirtschaft um die Fachkräfte, die zuwandern wollen. Und Transparenz über ausländische Berufsabschlüsse ist der Schlüssel dazu", bringt es Daniel Wörndl auf den Punkt. Er leitet das vom BMWi beauftragte Projekt BQ-Portal, das vor allem Kammern bei der Anerkennung der beruflichen Qualifikationen ausländischer Bewerber unterstützt. Die Abstimmung im Netzwerk ist eng: So bindet Make it eine Weltkarte des BQ-Portals ein, die übersichtlich Berufsbildungssysteme in knapp 100 Staaten aufschlüsselt, mit Institutionen, Lerninhalten und Abschlüssen. Make it und das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) wiederum arbeiten bei Webinaren zusammen, die deutschen Unternehmen die Rekrutierung im Ausland nahebringen. 

Auch Wörndl sieht im FEG ein wichtiges Signal: "Der Fachkräftemangel wird demografiebedingt größer, also müssen wir weltweit nach Potenzialen suchen. Das neue Gesetz könnte manches vereinfachen." Sein Team hat das Inkrafttreten der Neuregelung mit einem Projekt für die ZAV begleitet, die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (BA): Zunächst 16 Ländersteckbriefe analysieren Volkswirtschaft, Arbeitsmarkt und Bildungssysteme in Staaten wie Brasilien und Vietnam, in denen die BA große Chancen für die Fachkräfterekrutierung sieht. 13 solcher "Fokusländer" waren zudem Thema in Webinaren und einem IW-Report, um Unternehmen eine Orientierung über die Potenziale beruflicher Anerkennung zu bieten. "Wir sind am Puls der Zeit, weil die BA Vermittlungsabsprachen mit Fokusländern treffen will", erklärt Wörndl. 

Kerngeschäft des BQ-Portals sind die bislang 98 Länderprofile von Afghanistan bis Zypern mit mehr als 4.400 dazugehörigen Berufsprofilen: Sie helfen Kammern und Unternehmen dabei, die ausländischen Berufsabschlüsse einzuschätzen, mit dem deutschen System abzugleichen und letztlich anzuerkennen. "Das ist ein wichtiger Schritt, um die Unternehmen in ihrer Fachkräftestrategie und ihren Auswahlprozessen zu unterstützen", sagt Wörndl. "Je früher im Prozess man schon in die Systeme des Landes reingucken kann, desto passgenauer können Unternehmen die Potenziale einschätzen." 

Informationen für Firmen werden weiter ausgebaut

Krey und Wörndl unterstreichen die mögliche Bedeutung des FEG gerade für Unternehmen. Sie erhalten mehr Unterstützung, noch bessere Informationen und einen beschleunigten Prozess. In der nächsten Projektphase – Make it wurde jüngst für drei Jahre verlängert, bis Ende 2023 – will Kreys Team deshalb die Informationen für Unternehmen deutlich ausbauen und Firmen etwa durch Webinare sowie eine erste Werbekampagne im Inland stärker ansprechen. Das BQ-Portal werde weitere Steckbriefe für Fokusländer erarbeiten, kündigt Wörndl an. 

Gemeinsam werden das FEG und die IW-Projekte dazu beitragen, dass Unternehmen ihre Fachkräftelücke auch mit qualifizierten Zuwanderern schließen. Spannend wird die Zeit nach der Pandemie werden: Selbst im Corona-Jahr sei das Interesse von Zuwanderern und Firmen gleichgeblieben oder sogar gestiegen, berichten die Projektverantwortlichen. Wenn alles wieder normal(er) läuft und die Nachfrage steigt, müssen nicht nur die IW-Projekte parat stehen – sondern vor allem die offiziellen Stellen, die in die Fachkräfteeinwanderung eingebunden sind. "Nichts ist schlimmer, als wenn Unternehmen eine Fachkraft finden, loslaufen und dann verhungert alles im Prozess", sagt Krey. 

Fachkräfte 2/3

Berufsorientierung in der Pandemie: Streamen statt stehen

Was tun, wenn die Welt weitgehend stillsteht, die Schulen geschlossen sind und Berufsorientierung nur auf Distanz stattfinden kann? Die Antwort der IW Medien: digitale Formate ausbauen. In der Pandemie setzen sowohl das Projekt der M+E-InfoTrucks für Gesamtmetall als auch TouchTomorrow im Auftrag der Dr. Hans Riegel-Stiftung auf Livestreams, um den Ausfall von Präsenzveranstaltungen zu kompensieren. 

Normalerweise kommen beide Projekte buchstäblich zu den Jugendlichen, mit modern ausgestatteten Trucks fahren sie Schulen und Betriebe an und wollen die Fachkräfte von morgen begeistern. Der Science Truck der Riegel-Stiftung ganz grundsätzlich für MINT-Berufe, die InfoTrucks auch spezifisch für eine Ausbildung in der Metall- und Elektroindustrie. Statt Anfassen ist derzeit Anschauen angesagt: Zusätzlich zu den digitalen Informationsangeboten auf www.meberufe.info und touchtomorrow.de senden beide Projekte seit Januar 2021 live per Videokonferenzprogramm an Schülerinnen und Schüler. 

Gute Resonanz

"Wir hatten schon im Mai 2020 einen Pilot-Livestream produziert", erzählt Uwe Slosinski, Teamleiter TouchTomorrow-Truck. Übers Jahr entwickelte sich daraus zunächst die Idee für ein Parallelangebot zum Truckbesuch. Mit dem zweiten Lockdown aber wurde aus dem Parallel- ein Ersatzangebot. Seit Ende Januar laufen die Streams regelmäßig, bislang haben an fast 130 Streams knapp 2.900 Schüler teilgenommen. Inhaltlich baut Slosinskis Team auf den Themenbereichen an Bord des Science Truck auf: In 45 Minuten interaktivem Vortrag über die "Mobilität der Zukunft" geht es unter anderem um Wasserstoffantriebe und Elon Musks Idee eines Hyperloop, eine weitere Viertelstunde zum Abschluss gehört der Bundesagentur für Arbeit als Projektförderer, die ihre Angebote zur Berufsorientierung vorstellt. Ein zweites Streaming-Programm widmet sich seit Ende April 2021 der Robotik. Dabei programmieren Schüler den im "echten" Truck sehr beliebten Roboter NAO nun virtuell mit. Während der Livestreams, die von drei Coaches gestaltet werden, können sich die Zuschauer über ein eigens entwickeltes Tool an Umfragen, Chats und anderen interaktiven Angeboten beteiligen. "Die Resonanz beim Auftraggeber, bei den Schülern und auch in den Medien ist sehr gut", sagt Slosinski. 

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Eines der "Heimstudios", aus denen die Besatzungen der M+E-InfoTrucks derzeit ersatzweise livestreamen. Foto: IW Medien

Zufrieden mit dem bisherigen Verlauf seines Ersatzprogramms ist auch Armin Skladny, der neben dem TouchTomorrow-Truck auch für die zehn InfoTrucks der M+E-Industrie verantwortlich ist. Er zählt hier rund 200 Streams bis April 2021 mit mehreren Tausend Jugendlichen. Besonders wichtig: M+E-Unternehmen, die sonst bei den Vor-Ort-Terminen häufig mit Ausbildern und Azubis vertreten sind, beteiligen sich virtuell ebenfalls. Die Coaches, die an Bord der Trucks sonst Exponate erklären, Berufsbilder vermitteln und auf Fragen der Jugendlichen antworten, haben den Inhalt auf eine Stunde kondensiert. Auch sie sind zu dritt, einer moderiert und bindet Firmenvertreter ein, der zweite steuert die Interaktion mit den Schülern per Chat, ein dritter kümmert sich um die Technik. 

Kein vollwertiger Ersatz

Bei allen positiven Erfahrungen sind sich beide Projektleiter aber einig, dass die Streams kein vollwertiger Ersatz für die Trucks sind. "Es gibt Dinge, die funktionieren auf Distanz nicht", sagt Skladny. "Das Ausprobieren von Exponaten, das haptische Erleben und Entdecken, wofür jemand vielleicht ein Talent hat. Und auch das individuelle Eingehen auf die Schüler durch einen Coach." Interaktivität und das Zwischenmenschliche gingen verloren, macht auch Slosinski deutlich und bringt es für beide Truck-Projekte auf den Punkt: "Der Truck lebt vom Anfassen, vom Erleben, vom Herumlaufen. Streams fangen das nur minimal auf. Ja, wir können Neugier auf MINT vermitteln. Aber nicht in dieser Intensität und mit dieser Nachhaltigkeit." 

Deshalb nutzen beide Teams die Zeit des Stillstands, um auch das Durchstarten nach dem Lockdown vorzubereiten. Skladny erwartet für 2022 wieder eine normale Auslastung mit 2.000 Einsatztagen der zehn Trucks. Die werden dann mit neuer Technik und neuen Inhalten unterwegs sein: Statt einer Aufzugsteuerung werden technikinteressierte Jugendliche unter anderem einen Cobot, einen kollaborativen Roboter, programmieren können. Auch im Science Truck läuft die Modernisierung, zwei Erlebnisstationen zu Künstlicher Intelligenz sowie zu Kunststoffen aus Holzfasern kommen an Bord. 

Die Livestreams sollen zugleich als digitale Alternative erhalten bleiben. "Wir wollen diesen Bereich etablieren", gibt Skladny vor. Denn die Pandemie mag irgendwann durchstanden sein. Aber technische Defekte oder ein Herbststurm könnten die Trucks auch künftig ab und an ausbremsen. Da ist es gut, einen bewährten Ersatzplan in der Tasche zu haben. 

Fachkräfte 3/3

Was die neue JUNIOR-Geschäftsführung vorhat

Seit März 2020 bilden Kerstin Vorberg und Dominic Sickelmann die Geschäftsführung der IW JUNIOR. Hier sprechen beide über persönliche Prinzipien und ihre Pläne für die IW-Tochter.

Stellen Sie sich doch bitte zum Einstieg kurz vor. Wer sind Sie? Und was haben Sie im Leben vor der IW JUNIOR gemacht? 
Kerstin Vorberg: Studiert habe ich Chemie. Meine Laufbahn hat mich dann in unterschiedliche Branchen geführt, wo ich stets für Neugeschäfts- und Strategieentwicklung in innovativen Themengebieten zuständig war. Darüber kam mein Kontakt zur Bildung: Aus- und Weiterbildung und auch Nachwuchsförderung sind die Voraussetzungen, damit Menschen innovativ sind und in technologisch innovativen Umfeldern arbeiten können. Dieser Blick nach vorne treibt mich um. Ich liebe es, Menschen in die Zukunft mitzunehmen. 

Direkt vor meinem Einstieg bei JUNIOR im März 2020 war ich Geschäftsführerin eines Bildungsunternehmens für die chemische Industrie, das den gesamten Bildungsweg von der schulischen MINT-Förderung und beruflichen Orientierung bis zur Aufstiegsfortbildung und Weiterbildung im Beruf abgedeckt hat. Die IW JUNIOR widmet sich dem ersten Teil der Bildungskette – und auch hier treibt mich um, wie wir dieses wichtige Themengebiet strategisch entwickeln können. 

Dominic Sickelmann: Ich habe Medien- und Kommunikationswissenschaften studiert und bin auch in dem Bereich in den Beruf eingestiegen. Ich war aber nicht lange bei einer PR-Agentur – die Arbeit hat auf ganz vielen Ebenen nicht zu meinen Werten gepasst. Danach habe ich mir ein sehr klares Profil für meinen nächsten Job erstellt. Ein wichtiges Kriterium war die Sinnhaftigkeit: Ich wollte ein übergeordnetes Ziel, für das es sich lohnt, morgens aufzustehen. So bin ich bei der IW JUNIOR gelandet und jetzt seit März 2012 hier. Der Wunsch, selbst zu führen und Verantwortung zu übernehmen, kommt ebenfalls aus meinem ersten Job: Da habe ich intensiv erlebt, was schlechte Führung anrichten kann. 

Für mich ist die IW JUNIOR ein Herzensthema: Ich komme aus einer Nicht-Akademikerfamilie und hatte zu Gründer- oder Unternehmertum keinerlei Kontakt. Neben dem Studium habe ich dann selbständig in der Veranstaltungstechnik gearbeitet, mir fehlte aber leider ein wenig der Mut, daraus mehr zu machen und selbst zu gründen. Auch deshalb finde ich es wichtig, was wir hier tun. 

Einerseits gab es den personellen Impuls durch den Wechsel in der Geschäftsführung, andererseits Corona, das die IW JUNIOR quasi gezwungen hat, Dinge anders zu machen. Können Sie die Anfangszeit im ersten Lockdown schildern und wozu das im Unternehmen geführt hat? 
Sickelmann: Das Wichtigste ist die Bewertung der Situation. Schlägt man die Hände überm Kopf zusammen? Dafür sind wir beide nicht die Typen. Wir haben beide gesagt, so isses, und damit müssen wir arbeiten. In der Rückschau ist Corona ein Booster, was unsere Digitalisierung angeht. Und ein Brennglas, das unsere Probleme viel sichtbarer gemacht hat. 

Vorberg: Lösungsorientiert sind wir beide. Das entspricht ja auch dem Ziel-Mindset in den JUNIOR-Programmen: Wir wollen Jugendlichen beibringen, mutig zu sein und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. In dem Sinne sind das Team und wir das auch angegangen. 

Was ist konkret passiert?  
Vorberg: Was uns dauerhaft hilft: alles zu digitalisieren, was wir tun. Nicht nur das Schülerfirmenprogramm, auch die Workshops, Seminare und Veranstaltungen. Das war relativ klassisch aufgestellt. Die Schülerwettbewerbe standen für Ende April 2020 an, die mussten also sehr schnell in digitale Formate überführt werden. Genauso "Fit für die Wirtschaft", wo Trainer aus der Praxis in die Schulen gehen und finanzielle Zusammenhänge erklären, und andere Programme. Es musste alles digital werden, wovon wir leben. 

Sickelmann: Wir haben bis zu 200 Veranstaltungen im Jahr. Erst haben wir immer nur auf Sichtweite geplant, uns dann aber sehr früh festgelegt, dass alle Veranstaltungen bis zur Jahresmitte 2021 digital stattfinden würden. Diese Klarheit hat vieles einfacher gemacht. 

Vorberg: Das war zwar coronabedingt, hat uns aber gutgetan, weil Bildung und damit wir ohnehin digitaler werden mussten. Zusätzlich haben wir die strategische Weiterentwicklung verfolgt: Wir überdenken das Organisationsmodell und gucken uns an, warum wir so projektweise aufgestellt sind und gesteuert werden. Der Markt versteht das nicht. Mit dieser Marktsicht wollen wir uns deshalb neu sortieren und viel mehr mit einer Produktsicht als Dienstleister aufstellen. Solche Überlegungen sollten trotz Corona nicht brachliegen. 

Was ist denn bei der Einbeziehung der Marktsicht herausgekommen? Was fragt der Markt nach, was bieten Sie an, wie passt das zusammen? 
Vorberg: Wir haben ein sehr vielfältiges Angebot für Schüler in einer bestimmten Altersgruppe. Diese Angebote können wir noch besser verzahnen, denn eigentlich bauen sie aufeinander auf. Wir haben deshalb drei Angebotsbereiche identifiziert, in denen wir unterwegs sind: Learn, Create und Connect. 

Der "Connect"-Bereich ist die Grundlage: Er verzahnt Schulwelten und Wirtschaftswelten, etwa im Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT, wo wir die Bedürfnisse der Akteure und Zielgruppen ermitteln. "Learn" sind kurzlaufende Lern- und Lehreinheiten zur Wissensvermittlung etwa über betriebswirtschaftliche Zusammenhänge, die sich an diesen Bedürfnissen ausrichten. Daraus kann schließlich "Create" entstehen: ein Programmangebot wie die Schülerfirmen, in denen man das Wissen einsetzt und Kompetenzen entwickelt. Neben der Verzahnung dessen, was wir schon haben, überlegen wir dann noch, wie sich Trendthemen wie MINT-Förderung oder Nachhaltigkeit andocken lassen: Welche Fundamente brauchen die Jugendlichen, die morgen oder übermorgen in unserer Wirtschaftswelt aktiv sind? Dazu gehört auch, unsere Zielgruppen weiter zu denken. Außerdem wollen wir die Brücken von den JUNIOR-Angeboten in die nächsten Bildungsabschnitte ausbauen. Wir müssen stärker in Bildungsketten denken, nicht in Inseln. 

Sickelmann: Letztlich geht es um ein Mindset. Wir wollen auch Einstellungen bei den Jugendlichen verändern: Eigeninitiative, gestalten, anpacken, solche Werte. 

Denken Sie auch darüber nach, Ihre Kernzielgruppe Schulen und Lehrer zu erweitern? 
Sickelmann: Solche Überlegungen gibt es. Tatsächlich haben wir ja wenige Angebote, mit denen wir direkt die Schülerinnen und Schüler ansprechen. Das wäre eine ganz andere Art der Akquise, der Ansprache, des Marketings. Wir sind sehr offen darin, wie wir unsere genannten Ziele erreichen wollen. 

Vorberg: Zum nächsten Schuljahr sollen zum Beispiel die ersten Azubi-Firmen starten. Und eigentlich könnten wir das sukzessive weiterspinnen: dort Angebote machen, wo es Bedarf gibt, das beschriebene Mindset zu stärken. Mit einer Gemeinde sind wir zum Beispiel im Gespräch darüber, ein Programm als Nachmittagsangebot für ältere Jugendliche aufzulegen. 

Was wird mit dem "Klassiker" der Schülerfirmenprogramme geschehen? 
Vorberg: Die Geldgeber, aber noch mehr die Schulen, wollen Flexibilität. Gerade durch Corona ist die Hemmschwelle für große, komplexe Projekte höher geworden. Wenn wir das modularisieren, können Lehrer es teilweise in den Unterricht integrieren: Man macht das Basismodul mit der gesamten Klasse, und wer noch Lust hat, kann Angebote andocken wie MINT oder komplexeres Gründerwissen. Da sind wir gerade in der Konzeption, aber insgesamt kann der Trend zum Flexiblen unsere Reichweite erhöhen.

Was wir wollen oder was wir denken, wie sich Dinge verändern sollten, ist völlig irrelevant. Wir müssen mit den Zielgruppen sprechen.

Dominic Sickelmann
Geschäftsführer IW JUNIOR

Sickelmann: Diesen Wandel wollen wir beide anstoßen. Was wir wollen oder was wir denken, wie sich Dinge verändern sollten, ist völlig irrelevant. Wir müssen mit den Zielgruppen sprechen: Was braucht ihr? Was findet ihr gut? Warum habt ihr bisher nicht mitgemacht bei unseren Angeboten? Deshalb führen wir gerade sehr viele Interviews mit Lehrkräften, Jugendlichen, mit aktuellen und potenziellen Förderern, um genau das herauszufinden. Das haben wir auch früher schon gemacht, jetzt aber deutlich ausgebaut. 

Was haben Sie schon erreicht, das Sie zufrieden macht? Und welche großen Brocken liegen noch auf Ihren Schreibtischen?
Sickelmann: Wir haben eine klare Richtung festgelegt. In unseren Zielen sind wir uns sehr einig. Diese Einheit transportieren wir auch ins Team. Das ist nicht selbstverständlich. Wir wurden ja von anderen Menschen ausgewählt und zusammengeführt. Aber wir haben einen sehr guten gemeinsamen Spirit entwickelt und geben ihn weiter. Das macht schon mal sehr zufrieden. 

Vorberg: So ein Kulturwandel ist zugleich auch ein „großer Brocken“. Auf das bislang Erreichte können wir stolz sein, da liegt aber noch einiges vor uns. 

Nachhaltigkeit

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Nachhaltigkeit 1/2

Wie Digitalisierung die Ressourceneffizienz fördert

Es gibt viele Stellschrauben für nachhaltiges Wirtschaften in der Industrie. Darunter ist eine, an der viele Unternehmen schon aus betriebswirtschaftlicher Logik drehen, ohne das unbedingt als nachhaltig zu verbuchen: die Ressourceneffizienz. Möglichst geringer Materialinput für einen möglichst großen Produktionsoutput in möglichst schnellen und günstigen Prozessen spart Kosten. Und er hilft, natürliche Ressourcen zu schonen. 

Eine Logik, die durch die fortschreitende Digitalisierung von Unternehmen noch relevanter werden könnte. Zu diesem Schluss kommen IW-Ökonomin Adriana Neligan und ihr Team in "Digitalisierung als Enabler für Ressourceneffizienz in Unternehmen". Die Studie vom Januar 2021 bildet den Abschluss eines zweijährigen Forschungsprojekts im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi). "Digitalisierung macht Ressourceneffizienz messbar und Einsparpotenziale nutzbar. Durch einen höheren Digitalisierungsgrad bei Effizienzmaßnahmen lässt sich in Unternehmen ein höheres Maß an Ressourceneffizienz erreichen", stellt Projektleiterin Neligan im Ergebnis fest. Aber auch: "Ressourceneffizienz und Digitalisierung denken Unternehmen selten zusammen, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen nicht." 

Wie lassen sich Einsparpotenziale heben?

Neligan beschreibt ihren Themenimpuls: Unternehmen hätten ein hohes Eigeninteresse an Ressourceneffizienz, weil sie Einsparungen verwirklichen und ihre Planungssicherheit beim Import vor allem knapper Rohstoffe steigern können. "Aber es hat sich schon in einer Studie, die ich 2017 gemacht habe, gezeigt, dass es noch erhebliches Einsparpotenzial gibt. Dieses Potenzial wird nicht gehoben. Fast jedes zweite Unternehmen glaubt laut IW-Zukunftspanel, dass es bei optimaler Nutzung der technischen Möglichkeiten weitere Potenziale freisetzen könnte. Wie kann das nun gelingen?" Prinzipiell können Unternehmen Ressourcen weniger verbrauchen, mehrmalig gebrauchen und oder ersetzen, um die Ressourceneffizienz zu steigern. 

"Unternehmen können auf jedem dieser Wege Ressourcen effizienter nutzen", betont Neligan, "sie brauchen die Digitalisierung nicht zwingend dafür. Aber sie kann ein wichtiger Hebel sein." Gleichwohl liege dieser Einflussfaktor nahe, "weil viele Unternehmen im Zuge von Industrie 4.0 ohnehin stärker automatisieren. Prozess- und Produktionsdaten können ständig erhoben und vorgehalten werden und ermöglichen so eine in Echtzeit gelenkte Produktion. Darin stecken erhebliche Potenziale für Materialeinsparungen". 

Sie berichtet von einem Innenausstatter für Yachten, Wohnmobile und Kreuzfahrtschiffe, den sie im Projekt kennengelernt hat: Das Unternehmen hat eine Polsterfabrik übernommen und komplett digitalisiert Mit der Digitalisierung der Produktdaten lassen sich Zuschnitte exakt planen, weniger Verschnitt entsteht. Ressourceneffizienz kann in solchen Fällen zwar genauso gut eine Begleiterscheinung der Digitalisierung sein, nicht ihr Anlass. Der Nachhaltigkeitseffekt aber bleibt derselbe. Und ohne digitalisierte Informationen und Prozesse dürfte zumindest der Königsweg der Ressourceneffizienz kaum gangbar sein – die Kreislaufwirtschaft. Um Materialien möglichst lange und verlustfrei im Kreis zu führen, braucht es schlicht Daten darüber, wie viel wovon worin steckt und was wo wie weiterverwertet und -verwendet wird. 

Intensiver Dialog mit Verbänden und Firmen

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Adriana Neligan (hinten) bei einem Expertenworkshop im Rahmen des Ressourceneffizienzprojekts im Juni 2019. Foto: IW

Im BMWi-Projekt hat Neligan den Zusammenhang in mehreren Schritten erschlossen, gemeinsam mit Thilo Schaefer, Leiter des Kompetenzfelds Umwelt und Energie, IW-Digitalisierungsexpertin Barbara Engels, einem Team der IW Consult sowie dem Kooperationspartner WIK-Consult. "Dahinter lag vor allem ein sehr umfangreicher Stakeholder-Prozess", berichtet Neligan. Er begann im Juni 2019 mit einem Workshop, an dem unter anderem VCI und BDI, Einzelunternehmen und Gewerkschaften teilnahmen und die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Bestandsaufnahme auf Basis von Arbeitsthesen intensiv diskutierten. Es folgten sieben ausführliche Interviews mit Firmenvertretern über die Bedeutung von Ressourceneffizienz und Digitalisierung in deren Unternehmen sowie darüber, wie weit beides zusammengedacht wird. Die Erkenntnisse mündeten in Fragestellungen für eine Firmenbefragung, das methodisch wichtigste Werkzeug: "Wir sind die Ersten, die repräsentative Fragen zu dem Thema gestellt haben", sagt Neligan. 895 Unternehmen gaben im Rahmen des Zukunftspanels der IW Consult Auskunft. 

In den vergangenen fünf Jahren hat demnach allein das Produzierende Gewerbe durch Effizienzmaßnahmen 5,3 Milliarden Euro Material- sowie 3,4 Milliarden Euro Energiekosten eingespart. Der Sparbeitrag der Digitalisierung betrug 11 respektive 10 Prozent. Das weitere Einsparpotenzial schätzt die Studie auf 10 Milliarden Euro oder gut 1 Prozent der industriellen Wertschöpfung. Je weiter Unternehmen nun digitalisieren, desto besser wird die Datengrundlage, auf der sie Ressourceneffizienz überhaupt ermessen können. Und desto mehr kann Digitalisierung zu diesen Einsparungen beitragen.

Was die Digitalisierung bremst

Der digitale Weg ist aber noch voller Hürden, auch das hat die Studie ergeben (oder bestätigt): Die digitale Infrastruktur ist stellenweise schlecht, technisch wie menschlich. Es fehlt an Glasfaser und an Fachkräften für die Implementierung von Software. Außerdem haben Unternehmen oft nicht die Finanzkraft für den Aufbau einer komplett digitalisierten Anlage. Zudem vermissen viele Befragte eine digitale Komplettlösung für ihren Betrieb, projektbezogene Insellösungen für einzelne Produkte oder Prozesse führen oft nicht zu umfassenden digitalen Lösungen. 

Einige dieser Vorbehalte greift die Studie in ihren Handlungsempfehlungen auf und benennt etwa den Ausbau der Netzinfrastruktur. "Unsere wichtigste Empfehlung aber ist, den Wissenstransfer zu verbessern", sagt Neligan. So gebe es in unterschiedlichen Bundesministerien Fördertöpfe, die Unternehmen bei Effizienzmaßnahmen unterstützen, dieses Wissen sei jedoch nirgends gebündelt. Außerdem brauche es grundsätzlich bessere Informationen über den Nutzen der Digitalisierung für die Ressourceneffizienz. Einen ersten Beitrag dazu leisten die Wissenschaftler mit ihrer Broschüre "Mehr Ressourceneffizienz durch Digitalisierung – Handlungsempfehlungen für kleine und mittlere Unternehmen", die Fakten, Praxisbeispiele und Checklisten vereint. Um keine Ressourcen zu verschwenden, gibt es Studie und Broschüre übrigens nur als PDF.

Nachhaltigkeit 2/2

Klimaneutral und wettbewerbsfähig?

Wie kann die energieintensive Industrie in Nordrhein-Westfalen Schrittmacher beim Klimaschutz werden? Und wie gelingt ein klimaneutraler Umbau, der zugleich die Wettbewerbsfähigkeit etwa von Stahl-, Aluminium- und Chemieunternehmen sichert? Damit beschäftigt sich die Initiative IN4climate.NRW, in der das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammengeschlossen hat. Im wissenschaftlichen Teil des Netzwerks, SCI4climate.NRW, ist auch das IW engagiert. Weitere Partner sind das Wuppertal Institut, das Fraunhofer UMSICHT, die RWTH Aachen sowie Stahl- und Zementforschungsinstitute.

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Auch die energieintensive Industrie kann ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Foto: IN4climate.NRW

"Wir betrachten vor allem das Thema Rahmenbedingungen", sagt Thilo Schaefer, Leiter des Kompetenzfelds Umwelt, Energie, Infrastruktur. "Welche Weichen muss die Politik auf dem Weg in eine klimaneutrale Wirtschaft stellen?" Viele energieintensive Unternehmen arbeiteten bereits an klimafreundlichen Prozessen und Produkten. "Klar ist aber: Erfolgreiche Geschäftsmodelle werden das nur, wenn die Politik flankiert." 

Der Klimaplan als Wachstumsprogramm

Schaefer erlebt die Initiative als Team mit gemeinsamer Vision: "NRW begreift sich als Vorreiter. Das ist unsere Chance, in einer Welt, die sich in Richtung Klimaneutralität orientiert, mit innovativen Produkten und Technologien auf den Märkten vorne zu sein. So versteht sich die Initiative. Und so verstehe ich auf einer übergeordneten Ebene den Green Deal der EU: als Wachstumsprogramm für eine nachhaltigere Wirtschaft."

Damit dies auch in den energieintensiven Grundstoffindustrien funktioniert, müssen einige Rahmenbedingungen stimmen. Zuvorderst die Versorgung mit erneuerbaren Energien: 

  • Branchen wie die Aluminiumindustrie benötigen vor allem elektrische Energie. Wird die grüner, wird die Klimabilanz besser. 
  • Die Chemieindustrie kann einige Produktionsverfahren elektrifizieren und hat bereits einen eigenen Fahrplan zur Klimaneutralität vorgelegt. 
  • Andere chemische Verfahren und die Stahlindustrie brauchen aber gasförmige oder flüssige Energieträger. Dazu erforschen die SCI4climate-Partner vor allem den grünen Wasserstoff. "Auch dort geht es nur mit erneuerbaren Energien", erklärt Schaefer. "Wenn Wasserstoff klimaneutral produziert werden soll, muss das mit Grünstrom geschehen." 

Weitere Aufgaben der Politik in Berlin und Brüssel sieht Schaefer etwa bei der Gestaltung von Abgaben und Umlagen auf Strom sowie in Förderprogrammen. So hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier kürzlich weitere Milliarden für den klimafreundlichen Umbau der Stahlindustrie angekündigt. "Man muss an die regulatorischen Rahmenbedingungen ran, um Anreize zu setzen", sagt Schaefer

Wissenschaft unterstützt Wirtschaft, Politik muss flankieren

Auf regionaler Ebene wiederum geht es um Vernetzung im mehrfachen Sinn: Das Land NRW kann die Netzinfrastruktur für Strom und Wasserstoff auf- und ausbauen. Unternehmen B kann sich mit Unternehmen A vernetzen, um dessen Prozesswärme oder abgespaltenes CO2 in der eigenen Produktion einzusetzen. Und in IN4climate.NRW tauschen sich Wissenschaft und Wirtschaft über solche und andere Möglichkeiten aus. 

Am Beispiel der gemeinsamen Konferenz "Wissenschaft trifft Wirtschaft: Forschung für eine klimaneutrale und wettbewerbsfähige Grundstoffindustrie" vom Dezember 2020 schildert Schaefer die Arbeitsteilung: "Das Spannende ist, dass die Industrie den Wert erkannt hat, mit einer Stimme zu sprechen und den Synergiegedanken forciert. Und die Wissenschaft unterfüttert das: Forscher skizzieren konkrete Projekte, die Unternehmen umsetzen können – wenn bestimmte Anforderungen erfüllt sind. Diese lassen sich dann direkt an die anwesenden Politiker adressieren. Das ist der große Mehrwert, wenn alle an einem Tisch sitzen." 

Im Projekt sind bereits zahlreiche Publikationen unter Federführung des IW erschienen. Schaefer und seine Kollegen im Kompetenzfeld betrachten den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft auch unter weiteren Gesichtspunkten. Derzeit analysieren sie, was wann getan werden müsste, um die Wasserstoffstrategien von Bund und Ländern überhaupt bis 2030 umsetzen zu können (kurz gesagt: sehr viel, sehr schnell, bei Erzeugung, Transportwegen und Einspeisung). Geplant sind Arbeiten zur klimafreundlichen öffentlichen Beschaffung sowie zum veränderten Bedarf an Fachkräften und Qualifikationen, der mit neuen Klimatechnologien einhergeht. 

Akut erwarten die Wissenschaftler mit Spannung das "Fit for 55"-Gesetzespaket der EU für die Umsetzung des Green Deals. Es wird die Rahmenbedingungen festzurren, die nicht nur den energieintensiven Industrien den Weg in eine klimaneutrale Zukunft vorgeben. 

Weitere Klimaschutz-Projekte und -Produkte

Im Kompetenzfeld Umwelt, Energie und Infrastruktur dominieren auch sonst Themen mit engem Bezug zum Klimaschutz. Bei der Bundestagsanhörung im parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung hat Adriana Neligan als Sachverständige zum Thema "Globaler Kontext der Corona-Pandemie und Nachhaltige Entwicklungsziele" gesprochen. 

Insgesamt haben die klimapolitischen Anstrengungen durch die Corona-Krise – trotz eines temporären Rückgangs der Emissionen – einen Rückschlag erfahren. Doppelt betroffen ist die Automobilindustrie, einerseits von der Corona-Pandemie, andererseits von der Herausforderung, verstärkt auf klimafreundliche Antriebe zu setzen. Diese Transformation haben IW-Wissenschaftler mit einer umfangreichen Untersuchung beleuchtet, die auf große Resonanz gestoßen ist. Mehr darüber lesen Sie im Kapitel Standort Deutschland. Seit dem Herbst 2020 gibt es zudem das neue Format "Kölner Klima-Call", bei dem IW-Experten mit Verbands- und Unternehmensvertretern aktuelle klimapolitische Themen diskutieren.

Digitalisierung

Update für die Volkswirtschaft.

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Digitalisierung 1/4

Ein Index für die Digitalisierung

Der Auftakt ist gemacht: Deutschland hat seinen ersten Digitalisierungsindex aus dem IW. Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) ist unter Federführung von IW und IW Consult im November 2020 das Gutachten "Digitalisierungsindex 2020 – Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland" erschienen. Weitere Projektbeteiligte sind das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), das FIR an der RWTH Aachen und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Publikation gibt erstmals einen umfassenden Eindruck vom Status quo der Digitalisierung in verschiedenen deutschen Branchen und Regionen. Diese Zustandsbeschreibung ist nur der Auftakt: In den kommenden Jahren werden weitere Indexerhebungen folgen, mit denen sich die digitale Entwicklung der deutschen Wirtschaft nachzeichnen lassen wird. 

Die IW-Experten haben 37 Indikatoren herangezogen, um ein möglichst scharfes Bild zu erhalten. Darunter sind 13 unternehmensinterne wie digitale Vernetzung, digitale Geschäftsmodelle und digitale Beschaffungs- und Absatzkanäle. Zu den externen Indikatoren zählen die Breitbandverfügbarkeit, die Fachkräftelücke in Digitalisierungsberufen, die Anzahl an IT-Absolventen und digitalen Start-ups sowie die Höhe der Ausgaben für Forschung und Entwicklung. "Unser Digitalisierungsindex liefert schon deshalb ein scharfes Bild, weil wir im IW sehr viele Vorarbeiten geleistet haben", sagt Vera Demary. Die Leiterin des Kompetenzfelds Digitalisierung, Strukturwandel und Wettbewerb ist mit Henry Goecke, Leiter der Forschungsgruppe Big Data Analytics, die Hauptverantwortliche für den Index. Goecke beschreibt einige methodische Werkzeuge: 

  • Die IW Consult hat eine Unternehmensbefragung über das IW-Zukunftspanel konzipiert. Sie erfasst unter anderem die digitale Reife von Firmen und erreichte 2.000 Teilnehmer. 
  • Die IW-Patentdatenbank wurde ausgewertet, die IW-Fachkräftedatenbank im Hinblick auf Digitalisierungsberufe analysiert. 
  • Unter anderem mit semantischen Analysen haben die Wissenschaftler Twitter- und Zeitungsbeiträge nach Themen mit Digitalisierungsbezug ausgewertet. 
  • Das Team hat öffentliche Statistiken herangezogen sowie bestimmte Daten zugekauft. 
  • Außerdem hat die IW Consult ein interaktives Online-Tool programmiert, mit dem sich die Öffentlichkeit die Studienergebnisse erschließen kann. 

"Die Kombination dieser verbundweiten Kompetenzen ist unser Alleinstellungsmerkmal und hat den Index erst ermöglicht", betont Goecke. 

Detaillierte Analyse von Branchen und Regionen möglich

Weil der Digitalisierungsindex erstmals vorliegt, ist noch keine Entwicklung sichtbar: Über alle Regionen und Branchen in Deutschland gewichtet und gemittelt, beträgt er jeweils 100, "Deutschland" kommt also auf 100, "die Wirtschaft" ebenfalls. "Auf dieser Ebene werden wir einen horizontalen Vergleich über die Zeit erst noch kriegen", sagt Goecke. "Aber den vertikalen zwischen Branchen und Regionen haben wir bereits." Die Informations- und Kommunikationsbranche schneidet demnach mit 273 Punkten als bei weitem bester Wirtschaftszweig ab, der Fahrzeugbau kommt auf 193, Elektrotechnik und Maschinenbau – die gemeinsam analysiert wurden – auf 144,3. Regional differenziert, liegt der Süden (Bayern, Baden-Württemberg) mit 110,5 Indexpunkten vorne, Schlusslicht ist der Westen (Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Nordrhein-Westfalen) mit 93,6 Punkten. "Hier haben sich nur wenige Branchen angesiedelt, die bei der Digitalisierung besonders fortschrittlich sind, zudem ist der Breitbandausbau noch nicht so weit vorangeschritten", stellt das Gutachten fest. 

Der Index tauche ein in die deutsche Wirtschaft, sagt Demary, "und wird künftig vor allem Aussagen dazu ermöglichen, wie welche internen Faktoren den Digitalisierungsstand der Unternehmen stärken". Bislang stünden bei dieser Frage oft ausschließlich externe Einflüsse wie Breitband im Fokus. Der Blick nach innen richtet sich bewusst auf Erfolgsfaktoren: "Es überrascht ja nicht, dass die Großen oft vorne sind und die Mittleren und Kleinen noch nicht so gut abschneiden", sagt Demary. "Aber je genauer wir wissen, woran das liegt, desto bessere Handlungsempfehlungen können wir geben. Wir brauchen die Digitalisierung aller Unternehmen, nicht nur der Vorreiter." 

Wertvolle Unterstützung durch IW-Stakeholder

Bei den IW-Stakeholdern stoßen die Ergebnisse auf großes Interesse, VCI und Gesamtmetall hatten im Frühjahr 2021 bereits zur Ergebnispräsentation geladen. Schon im Entstehungsprozess waren Verbände beteiligt, etwa durch einen Workshop zum Design der Unternehmensbefragung. "Das für unsere Stakeholder spannende Wissen können wir besser liefern als mancher Wettbewerber", sagt Demary. Auch als Multiplikatoren seien die Verbände für die Befragung sehr hilfreich gewesen: "Das ist von unschätzbar großem Wert. Je größer die Teilnehmerzahl, desto repräsentativer und aussagekräftiger sind die Ergebnisse." Demary wirbt: "Das brauchen wir jedes Jahr wieder!" 

Das übergeordnete BMWi-Projekt "Entwicklung und Messung der Digitalisierung der Wirtschaft am Standort Deutschland" ist das bislang größte Forschungsprojekt des Ministeriums zu Digitalisierungsfragen. Es läuft zunächst bis Ende 2022 und kann bis 2024 verlängert werden. "Wir freuen uns schon auf die nächsten Erhebungszeitpunkte im Herbst 2021 und 2022", sagt Demary. "Interessant wird es, die Veränderungen in den Branchen und Regionen zu sehen. Klar ist, dass beim Thema Digitalisierung überall Fortschritte erzielt werden können und müssen. Es wird dann darum gehen, welcher Akteur welche Faktoren wie beeinflussen kann."

Digitalisierung 2/4

Digitale Bildung für die digitale Ausbildung: das NETZWERK Q 4.0

Bei aller Vorsicht darf man einmal feststellen: Die Pandemie hat auch ihr Gutes. Gerade in einem Projekt, das sich der Qualifizierung von Ausbilderinnen und Ausbildern für den digitalen Wandel widmet. Das NETZWERK Q 4.0 vereint das IW und die Bildungswerke der Wirtschaft sowie weitere Bildungsinstitutionen. Ihr Ziel: Ausbilder erhalten moderne Fach- und Sozialkompetenzen – die sogenannten Q 4.0 Trainings –, damit sie Inhalte und Prozesse der dualen Berufsausbildung entsprechend den Anforderungen des digitalen Wandels (neu) gestalten können. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), hat das Netzwerk 2020, mitten hinein in den Lockdown, mit Homeoffice und Kontaktbeschränkungen Fahrt aufgenommen.

Das Netzwerk hat in seinen Zielen durch die Ausnahmesituation profitiert, weil viele Abläufe plötzlich zwangsdigitalisiert wurden: "Corona hat unser Projekt inhaltlich gestärkt. Gerade der Zielgruppe der Ausbilder ist dadurch die Relevanz digitalerer Ausbildung noch stärker bewusst geworden", sagt Karen Bartling. Gemeinsam mit David Meinhard und Dirk Werner leitet sie ein Team von 15 Mitarbeitern im Kompetenzfeld Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte. Q 4.0 ist das bislang größte IW-Projekt, neben dem Kernteam arbeiten punktuell noch weitere IW-Wissenschaftler mit. 

Angebote in enger Abstimmung mit der Zielgruppe

Die Pandemie hat zugleich den Austausch im Netzwerk sowie Form und Inhalt der Qualifizierungen beeinflusst. "Das, was sonst optional war, war plötzlich das Pflichtprogramm", erklärt Meinhard. "Vor Corona war das Anreichern von Präsenzveranstaltungen mit Online-Abstimmungen oder kollaborativen Werkzeugen schmückendes Beiwerk." Dass Kommunikation und Konzeption virtuell geschehen, hat der Produktivität der Projektpartner nicht geschadet. Im Gegenteil: Die Bildungswerke und das IW entwickeln derzeit rund 80 Bildungsangebote für Ausbilder. Im März 2021 fand eine virtuelle Prototypenschau statt, für Juni ist eine digitale Halbzeitkonferenz unter dem Titel "Ausbilden 4.0 – Fit für das digitale Jetzt" geplant, die einen Überblick über den aktuellen Umsetzungsstand, Einblicke in die Q 4.0 Trainings sowie deren Entstehungsprozesse gibt. Erste Trainings laufen bereits zu den Themen additive Fertigung und Lernbegleitung. 

Entstanden sind sie in einem mehrstufigen Prozess nach der Kreativmethode des Design Thinking. "Im Kern geht es darum, dass sich alles, was an Inhaltsentwicklung stattfindet, sehr eng an den Bedarfen der Zielgruppe orientiert", erklärt Bartling. "Wo stehen Ausbilderinnen und Ausbilder, was würde ihnen in welcher Situation helfen? Ohne diese Methodik hätten wir keinen Einblick in das, was sie bewegt." Bereits im ersten Projektjahr wurden 381 Interviews geführt, die die Basis für die Bedarfsermittlung und thematische Verdichtung bilden. Aus den Antworten entstanden Personas, prototypische Zielgruppenvertreter mit Bedürfnissen, Erwartungshaltungen, Ängsten und Motivationen. Im weiteren Verlauf dienen sie quasi als ständige Erinnerung, für wen das Netzwerk tätig ist. In 56 Ideenworkshops wurden die Persona-Bedürfnisse dann zu Fachthemen verdichtet. Gerade in diesem Prozess hat Bartling einen Corona-Effekt beobachtet: "Im ersten Lockdown war es schwierig, an Ausbilder heranzukommen. Danach war ihre Erreichbarkeit dann aber plötzlich höher, weil sie den Umgang mit Tools wie Microsoft Teams im Betrieb erlernt hatten. Und die Schwelle für eine Workshop-Teilnahme scheint für viele digital auch niedriger."

Arbeitsteilung zwischen Bildungswerken und IW

Im rund 80-köpfigen Netzwerk gibt es eine Arbeitsteilung: Die Bildungswerke kümmern sich um fach- und branchenspezifische Themen, zum Beispiel additive Fertigung, Datensicherheit und digitale Kommissionierungstechnologien. "Unsere regionalen Partner sind schließlich viel enger an den Unternehmen", betont Meinhard. Das IW wiederum widmet sich Selbst- und Sozialkompetenzen wie Kommunikation, Konflikt-, Team- und Führungsfähigkeit sowie branchenübergreifenden Themen. Die Wissenschaftler unterstützen aber auch dabei, das Lehren innerhalb der betrieblichen Ausbildung zu lernen, etwa mit Angeboten zur Lernprozessbegleitung. 

Hinzu kommt die Grundlagenarbeit: In Köln ist das "Entwicklerhandbuch Blended Learning" entstanden, das Standards für Konzeption und Umsetzung der Q 4.0 Trainings festschreibt. Außerdem schaffen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch Unternehmensbefragungen Empirie zur Digitalisierung der Ausbildung. 2020 ist die Studie Ausbildungsunternehmen 4.0 erschienen und hat erstmals systematisiert, welche Unternehmen bei der Digitalisierung der Ausbildung vorne dabei sind und wer Nachholbedarf hat. 

Stärkung für den IW-Verbund

Das entstehende Wissen wird genauso geteilt wie die Arbeit. Eine im Süden entwickelte Qualifizierung kann später auch im Norden verwendet werden; was mit Blick auf die Metall- und Elektroindustrie entstand, kann auch für die Chemie sinnvoll sein, Konzeptideen oder Medien aus dem einen Format können auch in einem anderen Format funktionieren. Meinhard erklärt: "Das ist ein grundlegender Vorteil, den wir mit dem Netzwerk und den digitalen Schulungselementen haben: Wir können Dinge unabhängig etwa von Trainerpersonen anbieten. Dazu wollen wir die Konzepte mit Umsetzungshinweisen versehen und intern teilen." 

Die Arbeit des Netzwerks weist zugleich über das Projekt hinaus und stärkt die Basis des IW strukturell, inhaltlich und finanziell. "Wir haben enge Bande in die Bildungswerke der Verbände und unterstützen unsere Stakeholder so bei einer ihrer Kernaufgaben", sagt Meinhard. "Das NETZWERK Q 4.0 zeichnet außerdem aus, dass es eine große Überlappung zwischen Projektgeschäft und Kernaufgaben des IW gibt: Wir erzeugen Empirie und Input für weitere Forschungsfragen Richtung Qualifizierung, Ausbildung und Fachkräfte und haben zugleich Kompetenzen für weiteres Projektgeschäft aufgebaut. Wenn etwa Ausschreibungen aus den Bereichen Digitalisierung und Bildung laufen, sichten wir die im Netzwerk: Sind das Themen, die wir innerhalb des laufenden Projekts abbilden können oder die neue Projektideen begründen?"

Digitalisierung 3/4

Neues Arbeiten, neue Mitarbeiterinnen: 3k im IW-Verbund

Der IW-Verbund ist gewachsen: Anfang 2021 ist die Transformationsberatung 3k Teil des Instituts geworden. Wie so ein Zusammenschluss in Pandemiezeiten funktioniert und was er strategisch bedeutet, erklären IW-Personalchefin Ulrike Kenkenberg und 3k-Gründerin Kerstin Karuschkat. 

Es ist ja schon ein Kraftakt, in Corona-Zeiten die Arbeitsorganisation für die Stammmannschaft zu bewerkstelligen. Umso größer scheint die Herausforderung bei der Integration eines neuen Unternehmens. Wie klappt denn das Onboarding der neuen Kolleginnen und Kollegen von 3k, Frau Kenkenberg?

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Ulrike Kenkenberg. Foto: IW Medien

Ulrike Kenkenberg: Das ist schon eine besondere Situation, weil 3k als eigenständiges Unternehmen hinzukommt und nicht in ein Team, in dem andere Kollegen Teile dieses Onboardings übernehmen könnten. Wir sind einfach sehr frühzeitig in die Kommunikation gegangen, wie das gelingen kann. Kern ist ein Erfolgslabor: Veranstaltungen, bei denen wir alle möglichen Schnittstellen bedenken und besprechen. Wie stellen wir sicher, dass an jeder Schnittstelle gearbeitet und alles geklärt und vereinheitlicht wird? Was wir außerdem gemacht haben: eine Infoveranstaltung. Ohne Corona wäre das ein Frühstück für neue Kollegen. Diesmal war es ein virtueller Termin, bei dem jeder eingeladen war, sich mit einem Kaffee an den Frühstückstisch zu setzen. Da waren die Ansprechpartner aus der Personalabteilung und die Mitarbeitendenvertretung dabei.

Frau Karuschkat, wie ist Ihre Wahrnehmung? Klappt dieses Reinkommen und Ankommen virtuell ähnlich gut wie persönlich? 
Kerstin Karuschkat: Mein Team und ich sind wirklich begeistert von der Qualität des Onboardings. Der Verkauf einer Firma löst ja erstmal keine positiven Gefühle aus. Aber dann haben Ulrike, Herr Hüther und Herr Fröhlich wenige Tage nach meiner Bekanntgabe des Verkaufs eine Veranstaltung abgehalten – und danach waren alle Bedenken gegen den Verkauf weg. Über das Erfolgslabor, das Ulrike schon erwähnt hat, und alle weiteren Termine hinweg, die es seit dem Dezember 2020 gab, ist das enorm positiv gelaufen. Und deutlich besser als jeder Aufkaufprozess, den ich bislang bei Kunden begleitet habe. 

Sie haben beide das "Erfolgslabor" genannt. Was ist das? 
Karuschkat: Eines der Kernprodukte von 3k. Da handeln wir in viermal vier Stunden Inhalte und Verhalten ab, die mit Transformationen in einem Unternehmen einhergehen. In unserem Fall arbeiten 20 Kollegen aus dem IW und von 3k an fünf Themen, zum Beispiel IT, Personal und New Work. 

Und am Ende der Labore sind wir ideell und strukturell zusammengewachsen? 
Karuschkat: Dann sind alle praktischen Fragestellungen gemeinsam erarbeitet, die Themen vernetzt und gemeinsam gelöst worden. Zum Beispiel sind wir inzwischen in die IW-IT und die -Personalarbeit eingebunden. Unterm Strich geht es darum, nach dem Erfolgslabor ein gutes Gefühl miteinander zu haben. Und ich bin fast schockverliebt, wie gut das läuft. 

Frau Kenkenberg, wie erklären Sie sich, dass es so gut läuft? 
Kenkenberg: Unsere Learnings aus dem Corona-Jahr haben uns geholfen. Im April 2020 schon haben wir für die Führungskräfte einen Leitfaden zum Onboarding in Corona-Zeiten entwickelt. Und übers Jahr konnten wir den Prozess dann bei vielen Neueinstellungen anwenden. Das war eine gute Vorbereitung für den Dezember, als die 3k-Übernahme bekannt wurde. 

Was steht in diesem Leitfaden? 
Kenkenberg: Zum Beispiel die transparente Kommunikation über die Erwartungen, was den Arbeitsort angeht: Ist das IW in einer "Bleibt alle zu Hause"-Phase? Oder ist gelegentliche Präsenz erwünscht? Auch simple organisatorische Dinge: Erhält ein neuer Mitarbeiter einen Laptop, müssen natürlich auch die Log-in-Daten beiliegen. Und Empfehlungen dazu, wie ein Team die Neuen durch regelmäßige Kontaktangebote gut integriert. 

Das Arbeiten von zu Hause ist ja ein zentraler Bestandteil von New Work, der neuen Arbeitswelt, die durch Corona einen Schub erhalten hat. Was heißt das für das Geschäftsmodell von 3k, wo es darum geht, dass und wie sich der Mensch in einer veränderten Arbeitswelt wohlfühlt? 
Karuschkat: Aufgrund von Corona gibt es keine Firma, die nicht an Themen wie Verhalten oder Führen auf Distanz dran ist. Ulrike hat mit allem recht, was sie gesagt hat. Solche Leitlinien für Führungskräfte, wie es sie im IW gibt, entwickeln wir mit Unternehmen über mehrere Jahre. Wir bringen Führungskräften bei, wie sie Verhalten bei sich selbst, in ihrem Team, unternehmens- und weltweit beeinflussen, wie sie Standards etablieren oder Stimmungen im Betrieb überhaupt erst erfassen. Wie wichtig dieses Management von Menschen ist, hat Corona ganz deutlich gemacht. 

Wir bringen Führungskräften bei, wie sie Verhalten bei sich selbst, in ihrem Team, unternehmens- und weltweit beeinflussen, wie sie Standards etablieren oder Stimmungen im Betrieb überhaupt erst erfassen.

Kerstin Karuschkat, 3k-Gründerin

Ein Beispiel: Die Pandemie löst bei vielen Menschen Verlustängste aus. Also bieten wir Gruppenprogramme und Einzelcoachings für Führungskräfte: Wie stabilisieren sie Mitarbeiter, die niedergeschlagen sind, die vielleicht allein zu Hause sind oder Kinder und Beruf parallel stemmen? Was macht man, wenn ein Mitarbeiter in eine depressive Grundstimmung verfällt, wie gelingt es, dass das Unternehmen ihn nicht "verliert"? 

Wie ordnen sich solche Beratungsleistungen in die Angebote des IW-Verbunds ein? Wo gibt es Synergien, wo ergänzen sich 3k und der IW-Verbund? 
Karuschkat: Wir können den Markt für Unternehmenskunden für das IW erweitern. Der IW-Verbund erzielt wenig Umsatz mit Unternehmenskunden. Sie können aber zur langfristigen Absicherung des gesamten Verbundes beitragen. Mit dem Profit aus dem Unternehmensgeschäft festigen wir die inhaltliche und personelle Basis, um dem Grundauftrag des IW nachzukommen. 

Organisatorisch sind Sie als Ko-Geschäftsführerin der IW Consult an Bord gekommen. Also liegt dort auch zunächst Ihr Fokus? 
Karuschkat: Die Consult ist ein Hidden Champion, der schon sehr erfolgreich ist. Ich helfe mit Themen wie Leadership und Restrukturierung, das Kerngeschäft um Nuancen zu ergänzen. 

Wir haben zum Beispiel eine Blitzumfrage zum Thema "New Work" gemacht, über das Panel, das die Consult für ihre Unternehmensbefragungen aufgebaut hat. Gezeigt hat sich eine große Sehnsucht nach veränderter Führung: New Work braucht New Leadership. Mitarbeiter erwarten moderne Führung, das wird sich auch nach Corona nicht zurückdrehen lassen. Und dabei können wir in verschiedenen Themenfeldern unterstützen. 

Was heißt denn das für uns intern, Frau Kenkenberg? Wenn man nur auf Zufriedenheit guckt, sieht es gut aus: Das IW ist in der jüngsten "Great Place to Work"-Befragung erstmals in die Exzellenz-Gruppe aufgestiegen und zählt zu den 100 besten Arbeitgebern Deutschlands. Aber Zufriedenheit muss ja auch in der New-Work-Welt erhalten werden. 
Kenkenberg: Wir befinden uns mit den Führungskräften tatsächlich auf einer einjährigen "New-Leadership-Reise". Da geht es viel um Austausch und Inspiration – intern wie auch aus anderen Unternehmen. Wir nutzen Formate von der kleinen Selbstlerneinheit bis zum halbtägigen Seminar. Die Idee dahinter ist, unser Führungsverständnis gemeinsam zu reflektieren: Führen wir so, wie wir es angesichts veränderter Anforderungen sollten? Welche Haltung haben wir als Führungskräfte, wie definieren wir unsere Rolle? Sollten wir unsere Führungsleitlinie ändern oder ergänzen? All das stand auch ohne Corona auf der Agenda, die Dringlichkeit ist jetzt aber natürlich bewusster geworden. Seit dem Frühjahr 2021 sind wir daran, erste Ableitungen zu treffen. 

Vom Juni an wird das 3k-Onboarding auch räumlich abgeschlossen sein, dann ziehen die Kolleginnen von Bonn ans Konrad-Adenauer-Ufer. Mal vorausgeblickt, Frau Karuschkat: Woran würden Sie nach einem Jahr festmachen, ob das Zusammengehen ein Erfolg war? 
Karuschkat: Ich glaube, die Feuertaufe haben wir längst bestanden. Bestes Beispiel: Ich hatte noch nie so eine gute Personalarbeit wie von Ulrikes Team. Wir verkaufen unseren Kunden Projekte zum Thema "Das Personal als Business-Partner". Ich wusste also theoretisch immer, was uns selbst als 3k in diesem Bereich fehlt. Mit der IW-Personalabteilung erlebe ich nun real, wie gut Personalarbeit laufen kann. Durch diese Professionalisierung hat sich der Verkauf schon gelohnt, weil wir mehr Zeit fürs Kerngeschäft und die Profitabilität verwenden können. 

Nach so viel Lob, Frau Kenkenberg: Wann sagen Sie, dass das mit 3k gut geklappt hat? 
Kenkenberg: Ich freue mich grundsätzlich darauf, wenn wir alle wieder im IW-Gebäude arbeiten können. Und ich freue mich besonders, wenn 3k mit an Bord ist. Neue Kolleginnen und Kollegen bringen immer etwas Neues mit ein, was uns guttut. Wenn wir erstmal alle wieder vor Ort sind, können wir diesen Austausch intensivieren. Was der Einzug von 3k schon mal mit angestoßen hat: Wir haben im März 2021 eine Testphase zur "Neuen Zusammenarbeit" gestartet, verantwortet vom neuen kaufmännischen Geschäftsführer Klaus Hafemann. Wie und wo wollen wir künftig arbeiten? Was bedeuten die Erfahrungen aus der Corona-Zeit für Präsenz und Homeoffice, wie statten wir Arbeitsflächen aus?

Das ist die Neue

Die Transformationsberatung 3k ist der neueste Spross im IW-Verbund. Die im Jahr 2000 von Kerstin Karuschkat gegründete GmbH berät Unternehmen aus allen Branchen in Change-Prozessen, bietet Teambuildings an und coacht Führungskräfte. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen über eine fundierte Ausbildung aus den Bereichen Psychologie und Wirtschaftswissenschaften, ergänzt durch Zusatzausbildungen in Organisationsentwicklung, Coaching und Beratung. Um die Potenziale der deutschen Volkswirtschaft zu heben und die Erfolge ihrer Unternehmen dauerhaft zu sichern, bedarf es nicht nur einer innovationsfreundlichen Wirtschaftspolitik und mutiger Unternehmenslenker, sondern auch Belegschaften, die Wandel als Chancen erleben und mit Leidenschaft und Kreativität für ihre Zukunftsvisionen eintreten. 3k hilft Unternehmen, ein solches Mindset zu etablieren. Insofern hilft 3k den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken.

Digitalisierung 4/4

Erfolgreicher Relaunch der 3k-Webseite

Komplexes einfach machen und dabei Menschen begeistern – das ist die Passion der IW Medien. Erfolgreich umgesetzt wurde diese jüngst beim Webseiten-Relaunch für das neue Schwesterunternehmen 3k

Zunächst standen nur technische Optimierungen der Webseite im Vordergrund, erzählt Nadine Kühlkamp, Transformation Managerin bei 3k. Doch: "Der Blick durch die Brille der IW Medien hat uns gezeigt, was unserer Webseite fehlt." Bereits in einem ersten Austausch gelang es Lea Fabry, UX/UI-Designerin der IW Medien, die Bedürfnisse des 3k-Teams auf den Punkt zu bringen: Nahbarkeit schaffen, Einblicke in die Arbeit vermitteln und die Leistungen verständlich darstellen – das Kerngeschäft der IW Medien.  

Also beschloss das Team, die Integration in den IW-Verbund für eine kleine Imagekampagne zu nutzen, deren Herzstück die Webseite sein sollte. Fabry goss die Wünsche von 3k in ein neues Webkonzept. Neben überzeugenden Botschaften an potenzielle Kunden und einer intuitiven Nutzerführung sollte der Onlineauftritt mit einer authentischen Bildsprache "das positive Grundgefühl vermitteln, das 3k ausmacht", so Fabry. Möglich wurde dies durch ein Fotoshooting und den Dreh eines Imagevideos – unter Einhaltung aller Corona-Schutzvorkehrungen. 3k zeigte sich nicht nur vom Ergebnis begeistert, sondern auch von der besonderen Atmosphäre an diesem Tag und der Möglichkeit, die neuen Kollegen endlich einmal persönlich kennenzulernen. Szenen aus dem "Making of", die eine Auszubildende der IW Medien nebenbei produziert hatte, wurden kurz vor dem Livegang der Webseite über Social Media geteilt.

Nahbarkeit und Teamspirit vermitteln

Der hochwertige Imagefilm, konzipiert und umgesetzt vom Videoteam der IW Medien, ergänzt das Ziel auch der 3k-Webseite, Komplexes einfach zu machen. Kevin Stark, der als Video Producer für die IW Medien hinter der Kamera stand, erklärt: "Wir haben in diesem Video bildlich ausgestaltet, wie wir die Mission und den Spirit von 3k verstanden haben: Dass jeder Veränderung herbeiführen kann, auf kleiner und auf großer Skala!" So stellt das Video sowohl die Unternehmensphilosophie von 3k dar als auch die Rolle des Unternehmens im IW-Verbund. 

Den Livegang der neuen Website nutzte 3k, um auf verschiedenen Kanälen auf Kunden zuzugehen – mit durchweg guter Resonanz, berichtet Kühlkamp. "Wir haben viele positive Reaktionen auf die Website und die neuen Inhalte erhalten, auch von Altkunden, die über neue Projekte sprechen möchten." Die Zusammenarbeit mit der IW Medien habe an jeder Stelle viel Spaß gemacht, so Kühlkamp, "weil wir alle voneinander profitieren konnten, um die bestmögliche Webseite auf die Beine zu stellen".

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Highlights zu Veröffentlichungen und Veranstaltungen.

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Virtuelles Vernetzen in Brüssel

Ende März 2020 schaltete das Europäische Parlament pandemiebedingt auf virtuelle Sitzungen um und untersagte Externen jegliche Treffen in seinen Räumlichkeiten. Auch die Brüsseler Infrastruktur der deutschen Landesvertretungen sowie andere Locations standen nicht mehr zur Verfügung. 

Das IW-Büro in Brüssel konnte jedoch dank der guten IT-Infrastruktur reibungslos auf Online-Veranstaltungen umstellen und den Austausch mit politischen Entscheidungsträgern sowie dem Verbandsnetzwerk fortsetzen. Einige Kontakte wurden sogar intensiviert. 

Mitgliedschaft im EWSA

Seit September 2020 ist das IW offiziell Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA). Die Brüsseler Büroleiterin Sandra Parthie ist Repräsentantin in der Gruppe I der europäischen Organisationen der Arbeitgebervertreter. Ihr Stellvertreter ist Hans-Peter Klös, Geschäftsführer Wissenschaft.

Mit dieser Mitgliedschaft gewinnt das IW europaweit deutlich an Sichtbarkeit: Der EWSA ist eine offizielle EU-Institution und muss bei allen Gesetzesvorhaben der EU-Kommission angehört werden. Er schafft daher Zugang zu Entscheidungsträgern in anderen EU-Institutionen sowie die Möglichkeit, IW-Aktivitäten zu präsentieren. Das IW hat bereits als Berichterstatter für die "Strategische Vorausschau" zur Resilienz der EU sowie zum kommenden Update der EU-Industriestrategie fungiert. Das Mandat im EWSA läuft bis 2025.

Erfolgreiche Events

  • Mit den IW-Partnern im ETTE-Netzwerk (Economic Think Tank Exchange) fanden im April und Mai 2020 regelmäßige gemeinsame Calls statt, um einander über die nationalen Corona-Entwicklungen zu informieren. 
  • Auch der Austausch mit der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der EU-Kommission (DG ECFIN) war in dieser Zeit sehr intensiv. Im Juni 2020 und Januar 2021 trugen Michael Voigtländer und Hubertus Bardt im Rahmen des "Midday Seminars" bei der DG ECFIN zum Wohnungsmarkt respektive dem Investitionsbedarf in Deutschland vor. Das interne Seminar erreicht eine Vielzahl von EU-Kommissionsmitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen. 
  • Die Kooperation mit dem Bankenverband wurde ebenfalls ins Netz verlegt: Am 6. Mai sprachen bei einem Online-Event Katrin Assenmacher, Abteilungsleiterin bei der Europäischen Zentralbank, und IW-Finanzexperte Markus Demary über die Corona-Maßnahmen der Bank. 
  • Mit dem European Liberal Forum, dem europäischen Dachverband der liberalen Stiftungen hat das IW eine gut funktionierende Kooperation gestartet, die unter anderem in einem gemeinsamen Event zur EU-Industriepolitik mündete. Für das IW analysierte Christian Rusche die Corona-Folgen in diesem Bereich. 
  • Am 11. Mai 2020 gab es eine interessante Veranstaltung gemeinsam mit der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der EU zur Digitalsteuer und den entsprechenden Verhandlungen bei der OECD. Die Veranstaltung fand im Vorfeld der deutschen Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 statt. Zu den Teilnehmern zählten Martin Kreienbaum aus dem Bundesfinanzministerium, der dem OECD-Komitee für Steuerfragen vorsitzt, sowie Martin Beznoska vom IW. 
  • Im Juli 2020 nutzte IW-Direktor Michael Hüther eine kurze Zeit der Corona-Lockerungen für einen Besuch in Brüssel. Dort traf er sich mit Sabine Weyand, Generaldirektorin in der Generaldirektion Handel, Kerstin Joran, Generaldirektorin in der DG GROW (Industrie), sowie Michael Hager, Kabinettschef von EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis.

Videotrailer für Veranstaltungen

Im Januar 2021 hat das Brüsseler IW-Büro erstmals ein Video als dynamischen Einstieg in das Thema einer Veranstaltung eingesetzt: Für ein Event mit der Hanns-Seidel-Stiftung produzierte die IW Medien einen kurzen Trailer zum Digitalsteuerbeitrag. Der Trailer stieß allseits auf positives Echo. Zwei weitere sind derzeit in der Entwicklung.

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Die Highlights des IW-Wissenschaftsbereichs

Arbeitsmarkt und Arbeitswelt

Der Tätigkeitsschwerpunkt des Kompetenzfelds (KF) Arbeitsmarkt und Arbeitswelt lag im vergangenen Jahr auf der Arbeitsweltberichterstattung für das Bundesarbeitsministerium (BMAS). Die Forscher brachten ihre Expertise in die Inhaltserstellung für das Arbeitsweltportal ein. Es ermöglicht einen umfassenden Einblick in die Veränderungen der Arbeitswelt, die durch Digitalisierung, Globalisierung, den sozioökologischen, gesellschaftlichen und demografischen Wandel angetrieben werden. Darüber hinaus unterstützten sie als wissenschaftliche Geschäftsstelle mit Prognos und dem IAQ der Uni Duisburg den Rat der Arbeitswelt bei der Erstellung seines ersten Arbeitsweltberichts. In den eigenen Forschungsarbeiten standen – neben langfristigen Transformationsprozessen in der Arbeitswelt – die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Arbeitsmarkt und Unternehmen im Vordergrund. Traditionell haben die KF-Aktivitäten aber auch arbeitsmarktpolitische Diskussionen zum Beispiel im Zusammenhang mit flexiblen Beschäftigungsformen, Fragen der Gleichstellung und der sozialen Sicherung mit zahlreichen Publikationen begleitet.

Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte

Im KF Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte wird neben dem "NETZWERK Q 4.0 – Netzwerk zur Qualifizierung des Berufsbildungspersonals im digitalen Wandel" auch das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) als eine Schlüsselmaßnahme zur Fachkräftesicherung vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) für weitere zweieinhalb Jahre gefördert. Das KOFA erfüllt neben der Rolle als zentrales Informationsportal zur Fachkräftesicherung für Unternehmen in der neuen Förderphase zudem die Funktion eines Expertisezentrums und Think Tanks für politische Entscheidungsträger. Auf der Basis eigener Unternehmensbefragungen mit dem IW-Personalpanel und Auswertungen der eigens entwickelten IW-Fachkräftedatenbank liefert das KOFA empirische Daten und Fakten zum Thema Fachkräftemangel und verbindet diese mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Personalarbeit in Unternehmen. Das BQ-Portal liefert als Arbeits- und Wissensplattform wertvolle Unterstützung für Berufskammern und Unternehmen in der Praxis der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Weitere Informationen gibt es im Kapitel Fachkräfte. Neben dem Projektgeschäft waren im letzten Jahr die wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema Weiterbildung für das KF prägend. So zeigte die nunmehr zehnte IW-Weiterbildungserhebung, dass für das Jahr 2019 das gesamtwirtschaftliche Investitionsvolumen der Unternehmen um 23 Prozent auf über 41 Milliarden Euro gestiegen ist. Experten aus dem KF waren zudem auf vielen Konferenzen und Veranstaltungen mit virtuellen Vorträgen vertreten und haben sich in zahlreiche Beiräte und Gremien von IW-Mitgliedern eingebracht. 

Berufliche Teilhabe und Inklusion

Das KF Berufliche Teilhabe und Inklusion hat für weitere fünf Jahre (2021–2026) den Auftrag zur Erstellung und Pflege der Software IW-Elan von der Bundesagentur für Arbeit erhalten. Zudem ist der Auftrag der Bundesagentur für Arbeit für die Entwicklung einer parallelen barrierefreien Browserversion erteilt worden, die die jetzige Version ablösen soll. IW-Elan unterstützt Unternehmen bei der Berechnung der Ausgleichsabgabe und der Erstellung der Anzeige. Der Antrag für die Weiterführung des Projektes REHADAT 2021–2025 wurde fristgerecht eingereicht. Der beim BMAS gebildete Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen hat der Förderung bereits zugestimmt; mit dem schriftlichen Zuwendungsbescheid wird zeitnah gerechnet. Die Arbeiten des aktuellen Projektauftrages konnten trotz der Corona-Pandemie erfolgreich weitergeführt werden. Experten des Kompetenzfelds waren zudem an zahlreichen internationalen und nationalen Kongressen, Beiräten, Gremien und Netzwerktreffen mit Beiträgen beteiligt.

Bildung, Zuwanderung und Innovation

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Die Sachverständigenkommission übergibt den Neunten Familienbericht an die damalige Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (3. v.r.). Mit dabei: IW-Kompetenzfeldleiter Axel Plünnecke. Foto: BMFSFJ

Das KF Bildung, Zuwanderung und Innovation hat das Portal Make it in Germany entwickelt, als offizielles Portal der Bundesregierung ein zentraler Baustein der Fachkräftestrategie. Mehr über den IW-Beitrag zum Fachkräftezuzug lesen Sie im Kapitel Fachkräfte. 2020 wurden IW und IW Medien als Agentur vom BMWi beauftragt, das Portal für drei Jahre weiter zu betreiben; eine Verlängerung um insgesamt fünf Jahre steht in Aussicht. Für das Wirtschaftsministerium in Rheinland-Pfalz haben IW und IW Medien die Schwesterseite Make it in Rheinland-Pfalz umgesetzt. Auch dieses Projekt geht in die Verlängerung. Im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) berät das IW Akteure und Institutionen im Ausland zum deutschen Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Der neunte Familienbericht, an dem KF-Leiter Axel Plünnecke als Mitglied der Sachverständigenkommission mitgearbeitet hat, wurde der Bundesregierung übergeben. Die IW-Patentdatenbank wurde um weitere Module ergänzt. Mit der Datenbank haben die Wissenschaftler zahlreiche Patentanalysen zu den Themen Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Dekarbonisierung und regionale Cluster für Projekte in Kooperation mit anderen KFs und der IW Consult ausgewertet. Im Projekt AlphaGrund – gefördert vom BMBF – unterstützt das IW sieben Bildungswerke der Wirtschaft bei der Vernetzung und Weiterentwicklung von Angeboten zur arbeitsorientierten Grundbildung. Die Klassikermarken Bildungsmonitor und Ingenieurmonitor wurden thematisch auf die Corona-Krise angepasst. Im MINT-Report haben die IW-Forscher Indikatoren zu MINT-Fachkräften und Innovationsaktivitäten der M+E-Industrie auf Kreisebene erhoben und die Bedeutung von MINT für Innovationskraft und Digitalisierung in Deutschland untersucht. In mehreren Publikationen wurden die Herausforderungen der Corona-Krise für Bildung, Integration und Zuwanderung beschrieben und Lösungsvorschläge entwickelt. Die Vernetzung mit den IW-Mitgliedern ist durch Mitarbeit in mehreren BDA- und BDI-Ausschüssen zu den Themen Bildung und Innovationen ausgebaut worden.

Digitalisierung, Strukturwandel und Wettbewerb

Das KF Digitalisierung, Strukturwandel und Wettbewerb hat auch im vergangenen Jahr Projekte in verschiedenen Themenfeldern akquiriert, darunter Studien zum Thema Datenökonomie und hochwertige Datensätze, beide in Kooperation mit der Forschungsgruppe Big Data Analytics. Ein besonderer Akquiseerfolg 2020 war die Studie "Innovationen in der Plattformökonomie" für die Expertenkommission Forschung und Innovation der Bundesregierung. Darüber hinaus erwuchsen aus laufenden Projekten einige wichtige Veröffentlichungen: Im BMWi-Projekt "Entwicklung und Messung der Digitalisierung der Wirtschaft am Standort Deutschland" wurde erstmals der Digitalisierungsindex publiziert, in Zusammenarbeit mit der IW Consult und der Forschungsgruppe Big Data Analytics. Mehr über den Index lesen Sie im Kapitel Digitalisierung. Im Projekt KI-Monitor für den Bundesverband der Digitalen Wirtschaft haben die Wissenschaftler gemeinsam mit der Forschungsgruppe Big Data Analytics zum ersten Mal den KI-Index vorgelegt. Daneben wurden unter anderem die im Corona-Kontext besonders bedeutsamen Themen Insolvenzen, staatliche Eingriffe in Unternehmen sowie die Entwicklung von stationärem und digitalem Handel untersucht. Ein weiteres Papier beschäftigte sich mit dem auch auf europäischer Ebene höchst relevanten Thema der sogenannten Gatekeeper-Plattformen. Darunter versteht man digitale Plattformen, die aufgrund ihrer Größe und Bedeutung den Zugang zu Märkten kontrollieren können. 

Finanzmärkte und Immobilienmärkte

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Die Teilnehmer des Online-Workshops "Recent Trends in Rental Market Regulation" (von u.l. im UZS): Michael Voigtländer und Pekka Sagner (beide IW), Tony Crook (Uni Sheffield), Peter Kemp (Uni Oxford), Conor O'Toole (Economic and Social Research Institute, Irland), Gabe Lee (Institut für Höhere Studien, Wien), Christine Whitehead und Kath Scanlon (beide London School of Economics). In der Mitte: Ken Gibb (Uni Glasgow). Foto: IW

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Immobilienmärkte standen im Fokus des KF Finanzmärkte und Immobilienmärkte. Bereits im April 2020 wurden die Auswirkungen auf die Wohnungsmärkte eingeschätzt, später folgten Analysen zum Markt für studentisches Wohnen, dem Büromarkt und auch zur Logistik. Über diese und auch andere Publikationen wurde breit in den Medien berichtet. Bereits seit einigen Jahren analysiert das Kompetenzfeld in Kooperation mit Judith Niehues, Leiterin der Forschungsgruppe Mikrodaten und Methodenentwicklung, das Wohngeldsystem und unterstützt dabei das Bauministerium ebenso wie das BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) mit einem eigenen Mikrosimulationsmodell zum Wohngeld. Die Analysen und Berechnungen hatten wesentlichen Einfluss auf die Umsetzung der Wohngeldreform 2020. Äußerst reputierlich war die Organisation eines Workshops zu "Recent Trends in Rental Market Regulation" in Kooperation mit dem European Network for Housing Research. Zeitweise über 30 Forscher aus drei Kontinenten diskutierten über die Erfahrungen mit Mietpreisregulierungen und Ableitungen für die Zukunft. Ein Teil der Beiträge wird auch in einer Sonderausgabe des International Journal of Housing Policy erscheinen. Schließlich hat das Kompetenzfeld in einem Projekt für das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium die Vernetzung der Finanzwirtschaft in NRW vorangetrieben, die Ergebnisse wurden dabei in einer Veranstaltung gemeinsam mit Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart vorgestellt. Dieses Projekt dient zugleich als Grundlage für weitere Projekte.

Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur

Zwei Mitarbeiter des KF Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur haben auf der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik vorgetragen, nachdem sie sich mit wissenschaftlichen Artikeln beworben hatten. Eines ihrer Themen waren theoretische Überlegungen zu einer neuen Handelsspezialisierung gemäß den komparativen Vorteilen beim Klimaschutz. Im Vorfeld der Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie (M+E) hielt ein Mitarbeiter des KF zahlreiche Vorträge bei M+E-Regionalverbänden zur aktuellen Branchenkonjunktur. Darüber hinaus gelang es, verschiedene Facetten der neu erarbeiteten Expertise zum Umgang mit China prominent in Medien und externen Publikationen unter- sowie in die Politikberatung in Berlin und Brüssel einzubringen. Dies gelang auch zum asiatisch-pazifischen Freihandelsabkommen RCEP und der Positionierung der EU in Asien: Vertreter des KF führten darüber Gespräche mit Vertretern deutscher Ministerien, von Europäischer Kommission und Europäischem Parlament. Ein Mitarbeiter ist Mitherausgeber einer umfangreichen Festschrift für den ehemaligen Leiter Wirtschaftspolitik in der Politischen Akademie Tutzing, Thomas Quaisser, mit dem Titel "Reflexionen zur Sozialen Marktwirtschaft". Auch auf zahlreichen Veranstaltungen in Brüssel war das KF mit seiner Expertise vertreten. 

Öffentliche Finanzen, Soziale Sicherung, Verteilung

Mit der Pandemie rückte das Gesundheitssystem in den Fokus des KF Öffentliche Finanzen, Soziale Sicherung, Verteilung. Standen anfänglich mögliche Engpässe in der Krankenhausinfrastruktur im Mittelpunkt, verlagerte sich der Schwerpunkt der Analysen schließlich auf den Beitrag der deutschen Pharmaindustrie zur Entwicklung und Produktion von Impfstoffen. Pflegethemen erfuhren während der Pandemie eine hohe Aufmerksamkeit – unter anderem fertigte das IW als Konsortialführer ein (noch unveröffentlichtes) Gutachten zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung für das Bundesgesundheitsministerium an. Unterschiedliche Reformoptionen für die gesetzliche Alterssicherung wurden im Rahmen des Generationenchecks für die INSM analysiert. Zur Frage einer kinderabhängigen Beitragsstaffelung in der Sozialversicherung hat das Bundesverfassungsgericht erstmals das IW zu einer Stellungnahme eingeladen. Die Konjunkturprogramme der Bundesregierung, die Gestaltung der "Novemberhilfen" und der Umgang mit den Corona-Schulden waren nicht nur Gegenstand eigener Publikationen, sondern auch eines Gutachtens für die vbw im Spätsommer. Welche Folgen die Corona-Krise für die Einkommensverteilung hat, wurde mithilfe einer IW-Umfrage ausführlich analysiert. Zu diesen und weiteren Themen publizierten die Autoren auch in referierten Zeitschriften. Ihre Ergebnisse trugen sie unter anderem auf der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik und einem Symposium der Universität Zagreb vor. Gefragt waren die Referenten bei der OECD (Büro Berlin), der EU-Kommission (Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen), im Bundesfinanzministerium, als Sachverständige im Bundestag sowie bei zahlreichen Mitgliedsverbänden. 

Tarifpolitik und Arbeitsbeziehungen

Im Rahmen der Forschungsstelle Tarifautonomie hat das KF Tarifpolitik und Arbeitsbeziehungen für die Metall- und Elektroindustrie einen umfassenden Vergleich von Flächentarifverträgen mit rund 400 Ergänzungs- und fast 200 Haustarifverträgen durchgeführt. Außerdem wurde aus einer historischen Perspektive heraus untersucht, ob Tarifautonomie einer systemimmanenten Legitimitätsüberprüfung ausgesetzt ist und ob sich daraus unterschiedliche Formen der Beeinflussung von Tarifautonomie durch den Staat ableiten lassen. Extern erschienen in der "Zeitschrift für Wirtschaftspolitik" der Beitrag "Wege zu mehr Zufriedenheit im Flächentarif: Empirische Befunde für die Metall- und Elektro-Industrie" und in "Industrielle Beziehungen" in Zusammenarbeit mit der Universität Göttingen ein Beitrag zum Thema "OT-Verbände & OT-Mitgliedschaften in der Metall- und Elektrobranche: Stabilisierung des Tarifsystems auf tönernen Füßen?". Neben den Forschungsaktivitäten im Rahmen der bis Ende 2025 verlängerten Forschungsstelle standen die Themen Tarifpolitik, betriebliche Mitbestimmung und gesetzlicher Mindestlohn im Fokus des Kompetenzfelds. Weitere Veröffentlichungen gab es zum 100-jährigen Bestehen des Betriebsrätegesetzes und zum Thema "Betriebliche Konfliktfelder und Partizipation der Arbeitnehmer". Einen thematischen Schwerpunkt bildete ferner der gesetzliche Mindestlohn, unter anderem in der Zeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte" sowie in Form eines Gutachtens zum Anpassungsmechanismus des Mindestlohns. 

Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik

Im KF Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik stand das Thema "Vertrauen" im Jahr 2020 im Mittelpunkt der fakten- und studienbasierten Forschung: Vertrauen in die Mitmenschen, Vertrauenskultur in Unternehmen (Stichwort: Homeoffice), aber vor allem auch das Vertrauen in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft gerade in Krisenzeiten. Außerdem wurden die IW-Analyse "Die sieben Todsünden – Verhaltensökonomische Interpretationen und Handlungsempfehlungen" und diverse IW-Reports zu wirtschaftsethischen Fragen während der Corona-Pandemie veröffentlicht. Highlight, wenngleich nur virtuell, war die Max-Weber-Preisverleihung mit dem Festredner Robert Habeck, Bundesvorsitzender Bündnis90/Die Grünen, zum Thema "Nachhaltigkeit: schöpferische oder zerstörerische Kraft des Kapitalismus?". Mehr darüber lesen Sie im Kapitel zum Standort Deutschland. Außerdem wurden die Arbeiten im Rahmen des Roman Herzog Instituts für zwei weitere Jahre verlängert. 

Mikrodaten und Methodenentwicklung

Die Forschungsgruppe (FG) Mikrodaten und Methodenentwicklung hat im Rahmen eines Kooperationsprojekts für die Brost-Stiftung Studien zu den Themen Online-Petitionen, Mediennutzungsverhalten und sozioökonomisches Unwissen veröffentlicht. In Kooperation mit der IW Medien wurden die Ergebnisse über die interaktive Beteiligungsplattform checkpott.ruhr der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Gemeinsam mit Kollegen des KF Öffentliche Finanzen, Soziale Sicherung, Verteilung wurden Verteilungswirkungen für die erste Phase der Corona-Krise simuliert. Durch Beiratstätigkeiten beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, im Wissenschaftlichen Beirat des Sechsten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung und durch die Berufung in den Projektbeirat "SOEP-Transfer" hat die Forschungsgruppe ihr Netzwerk weiter gestärkt. 

Big Data Analytics

Nachdem 2019 durch die Akquise von Projekten der FG Big Data Analytics geprägt war, war das letzte Jahr bestimmt durch die Umsetzung dieser Projekte, die Akquise neuer Projekte, die Erweiterung der technischen Expertise und die weitere Profilbildung der FG. Dazu dienten unter anderem die ersten Publikationen des Digitalisierungsindex sowie des KI-Monitors (beide mit KF Digitalisierung, Strukturwandel und Wettbewerb), der Abschluss des Projektes "Big Data in der Makroökonomie – Machbarkeitsstudie: Prognose von Investitionen und Exporten mit unkonventionellen Datenquellen" (mit KF Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur) sowie der Aufbau der IT- und Dateninfrastruktur für das Projekt "Big Data in der Makroökonomie – Vergleich von regionalen Preisniveaus unter Verwendung von unkonventionellen Datenquellen" (mit KF Tarifpolitik und Arbeitsbeziehungen). Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie wurden zahlreiche themenspezifische Publikationen veröffentlicht und originäre Datensätze für die Echtzeitanalyse erhoben, zum Beispiel Verkehrsdaten. Im Rahmen bestehender Projektaufträge haben die Mitarbeiter die Bedeutung von Big Data in der makroökonomischen Analyse betrachtet und ihre Forschungsarbeiten im Bereich der Datenökonomie fortgesetzt und erweitert.

Zahlen & Fakten

Die wichtigsten Daten.

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Zahlen, bitte: Wie Wissenschaft wahrgenommen wird

Wie kommen die Themen des IW in der Öffentlichkeit an? Und wie gelingt dem Institut die Vernetzung in den Sozialen Medien? In diesem Kapitel finden Sie Zahlen zur Entwicklung der Medienresonanz off- und online. Außerdem erhalten Sie die wichtigsten Angaben zu Publikationen, Projekten, Lehrtätigkeiten und Gremienmitgliedschaften bequem zum Herunterladen und Stöbern.

2019 9963

Erwähnungen in den Medien

2 2019 & 2020

Rang im Institutsvergleich

2019 309

Radiohörer in Mio.1

2020 274 2019 273

TV-Zuschauer in Mio.2

9625 2019 14850 2020

Twitter-Follower

2019 3429

Facebook-Abonnenten

2019 1291

LinkedIn-Follower

2019 232

Publikationen IW e.V.3

905 2019

Vorträge IW e.V.4

1 Panel: Deutschlandfunk, DeutschlandRadio Kultur, B5 aktuell, hr-info, mdr aktuell, ndr-info, swr-info, WDR2, WDR5, rbb-Inforadio; ab 1.3.2018 Panel HF: Deutschlandfunk, B5 aktuell, NDR info, WDR 2, WDR 5, rbb-Inforadio, SWR3, 1Live, Bayern 1, NDR 2, WDR 4, Bayern 3, NDR 1 NS/Radio MV/Welle Nord, SWR1 BW/RP, SWR4 BW/RP, N-Joy, hr3, mdr Jump, mdr Sachsen
2 Panel: ARD, ZDF, die dritten Programme, Phoenix, RTL, n-tv, N24, SAT.1
3 IW-Publikationsreihen plus Gutachten; Direktion und Wissenschaftsbereich
4 Direktion und Wissenschaftsbereich

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